Zweibrücken Nachkriegs-Erholung im Allgäu

Auf die Kinder der zerbombten Stadt warteten 1945 Monate des Hungerns (wir berichteten am 2. März). Um sie bemühte sich schon bald der Caritas-Verband der Diözese Speyer, der die Verschickung von Stadt-Kindern aus größeren Familien in nicht zerstörte bäuerliche Gegenden organisierte. Davon profitierten auch die Kinder der Familie Dreizehnter, von denen sich mehrere von Dezember 1945 bis Spätsommer 1946 im Schloss Zeil in Leutkirch, Allgäu, bei ausreichender Ernährung erholen durften.

In diesem Schloss hatten schon vier Jahre zuvor Benediktinerinnen und seit Dezember 1944 Schwestern vom Armen Kinde Jesu mit über 40 Waisenkindern Unterkunft gefunden. In einem Bericht dieser Nonnen aus jener Zeit ist zu lesen: „Am 21. September 1945 kam ein Caritassekretär aus der Diözese Speyer und bat den Fürsten um Unterbringungsmöglichkeit für Kinder aus den Städten. Der Fürst trat dann an uns mit der Bitte heran, diese betreuen zu wollen. (…) Am 7. Dezember kamen dann 27 Kinder und drei Fräulein hier an. Durch die einzigartige schöne Gegend fühlten sie sich bald alle recht wohl, nicht wenig trug dazu die gute Verpflegung bei.“ Eines der Fräuleins, das die Kinder aus Zweibrücken und Pirmasens auf der dreitägigen Fahrt in einem kalten Wagen Anfang Dezember 1945 begleitete, war die 18-jährige Hilde Dreizehnter. Sie hatte ihre kleine Schwester Agnes dabei, und eigentlich sollten die beiden nur ein paar Wochen bleiben. Doch da Hilde auch bei der Betreuung der jüngeren Waisenkinder im Einsatz war und Agnes schwer leberkrank wurde, verlängerte sich der Aufenthalt auf zehn Monate. Die beiden jüngeren Geschwister Hannele und Günter kamen im Frühjahr nach. Auch Gisela Pirrung war auf Schloss Zeil. Dort schloss sie mit Agnes Dreizehnter eine Freundschaft, die bis heute andauert. Das große, schöne Schloss beeindruckte die Kinder aus Zweibrücken sehr. Sie fühlten sich dort recht schnell wohl. Bei herrlichem Wetter konnte man bis zum Bodensee sehen, und die schneebedeckten Gipfel der Alpen waren für sie eine einzige Pracht. Die meisten Kinder hatten solche Berge noch nie gesehen. Auch das Essen inklusive der örtlichen Leib- und Magenspeise „Himmel und Erde“ schmeckte und ließ die Kinder das Leid zu Hause vergessen. Vormittags besuchten sie zusammen mit den einheimischen Kindern die Dorfschule. Für die Betreuung waren die Nonnen und andere Personen zuständig, die sich liebevoll um die Kleinen kümmerten. Die Kinder schrieben regelmäßig nach Hause und erhielten von dort auch Post. Einmal – so erinnern sich die Dreizehnter-Mädchen noch gut – bat ihre Mutter um die Zusendung von Kartoffeln für die anstehende Kommunionsfeier des jüngeren Bruders Paul. Die Mädchen gingen daraufhin beherzt betteln und schickten die Kartoffeln in Kisten nach Hause. Dennoch: Viele litten unter Heimweh, auch und gerade an Weihnachten 1945. Nicht viel anders ging es den Eltern und Geschwistern zu Hause, die unterm spärlich geschmückten Weihnachtsbaum ihre Lieben in der Ferne vermissten. An Heiligabend kam im Schloss Zeil die ganze fürstliche Familie – zur Bescherung sehr vornehm gekleidet – in den Aufenthaltsraum der Kinder. Ansonsten sahen die Kinder die fürstliche Familie nur selten, doch wenn, dann waren der Fürst und die Fürstin stets sehr freundlich. Untereinander verstanden sich die Kinder gut. Davon zeugen auch die vielen Einträge von Freundinnen, die sich im Poesiealbum von Gisela Pirrung finden. Dieses Poesiealbum besitzt sie noch heute. Schließlich kam der Tag der Heimkehr und die Erkenntnis, dass es den Leuten zu Hause nicht ganz so gut ergangen war: Die Dreizehnter-Kinder erkannten ihre Mutter zuerst nicht, weil sie fast auf die Hälfte ihres Normalgewichts abgemagert war.

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