Zweibrücken „Hatte ein ganz seltsames Gefühl“

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Eine dramatische Szene wie aus einem Fernseh-Krimi: Ein höchst aggressiver Mann springt auf die Motorhaube, fährt sich mit der Hand vor der Kehle entlang: „Rübe ab“, droht er. Die Frau am Steuer aber gibt unbeirrt Gas. So schildert Andrea Renner-Baumann die Situation, die ihr eine zweite Auszeichnung eingebracht hat. Die Zweibrückerin wurde am Dienstag vom Polizeipräsidium Westpfalz in Kaiserslautern für vorbildliches „zivilcouragiertes Handeln“ geehrt.

Michael Denne hatte schon zur Lobesrede angehoben. „Es war ja doch eigentlich ganz anders“, überraschte Renner-Baumann die Runde, die sich zur Feierstunde im Haus des Jugendrechts der Polizei in Kaiserslautern versammelt hatte. Nun, ein Teil von Dennes Worten hatte Bestand: Vorbildlich sei, so betonte der Leiter des Polizeipräsidiums, wie sich die sechs Bürger verhalten hätten, die am Dienstag ausgezeichnet wurden. Sie hätten nicht weggeschaut, sondern eingegriffen, hätten nicht gezögert oder gar ein Handy gezückt, um Gaffer-Fotos zu machen. Sondern beherzt geholfen in der Not. Denne schilderte jeden der fünf Fälle, in denen sechs Bürger Mut bewiesen und geholfen hatten. Die Zweibrückerin hatte demnach eine verängstigte, hilflose Frau von der Straße aufgelesen, sie ins Auto gepackt und in die helfenden Hände der Polizei übergeben. Nicht ganz richtig: „Es war viel dramatischer“, korrigierte Renner-Baumann. Sie sei an jenem Abend des 22. November von der Arbeit in Kaiserslautern gekommen. Schon fast zu Hause, habe sie nahe des Evangelischen Krankenhauses ein Gerangel gesehen. Vier Leute. Betrunkene auf dem Heimweg? „Ich hatte ein ganz seltsames Gefühl, kann mir das nicht erklären“, blickt sie zurück. Jedenfalls habe sie, statt ihre Wohnung anzusteuern, eine Extrarunde gedreht. Um noch mal langsam an der Gruppe vorbeizufahren. Dann sei alles ganz schnell gegangen: Die Frau, völlig aufgelöst und nicht gerade für einen Spaziergang am Spätherbstabend gekleidet, habe die Autotür aufgerissen. „Hilfe, Hilfe, schnell weg!“ Dann sei ein Mann auf die Motorhaube gesprungen. Die Retterin in der Not rief sofort die Polizei, vereinbarte einen Treffpunkt. Wie sich herausstellen sollte, war einer der drei Aggressoren der Ex-Mann der Frau. Er hatte seine Verflossene in Zweibrücken ausfindig gemacht und war in ihre Wohnung eingedrungen. Dort nahm die Polizei den schwer Betrunkenen später fest. Der vorbestrafte Sexualstraftäter habe eingeräumt, er habe an jenem Abend eindeutige Absichten gehabt. Wie es weiterging, weiß Renner-Baumann nicht. Sie habe ohne nachzudenken gehandelt. Sie sei nicht zuletzt sensibilisiert für Notfallsituationen, weil ihr Ehemann Volker Baumann, kürzlich pensioniert, Polizeibeamter war. Ihr Verhalten sei eigentlich nicht der Rede wert, meint Renner-Baumann. Das sieht die Polizei anders: Sie hatte von dem Fall auch in Mainz berichtet, was der Zweibrückerin im November einen Preis des Innenministeriums einbrachte (wir berichteten am 23. November auf der Seite „Südwestdeutsche Zeitung“). Landesweit waren Bürger geehrt worden, die Zivilcourage gezeigt hatten.

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