Speyer Wochenchronik

Und es geht doch. Politiker können sich auch kurzfassen: Am Dienstag musste es auf dem RHEINPFALZ-Forum in der Stadthalle sein. 2 mal 30 Sekunden lief die Stoppuhr runter für jede Kandidatin und jeden Kandidaten. Dann signalisierte der Schlagzeuger der großartigen und coolen Band „koat“, David Steiger, unüberhörbar „time over“ an Trommel und Becken. Das Wunder: Er musste selten ran. Denn oft gelang den Rednern die Zeitmaß-Punktlandung. Mancher war sogar früher fertig. Respekt für Selbstdisziplin, Konzentration und Energie. Und für den Trainingseifer. So ganz ohne Vorbereitung zuhause mit Stoppuhr und Spiegel ist das nicht abgelaufen – räumten sie, wenn auch nicht offen, ein. Das war ein gutes Trainingslager für die nächste Stadtrats-Periode. Ein neuerlicher Antrag „Redezeitbegrenzung“ könnte eine deutliche Mehrheit erhalten, registrierte auch OB Eger mit Schmunzeln. Dagegen wird der sein, der (fast) immer dagegen ist. Obwohl er am Dienstag mehrfach auf die Sekunde fit war. Der neue Stadtrat wird am 25. Mai erst gewählt. Dennoch wurde schon das erste fraktionsübergreifende Projekt des Gremiums öffentlich auf dem Podium beschlossen. Es findet statt – auf dem Tanzparkett. In das erste Jahr der neuen Legislaturperiode fällt die zweite Ausgabe des Ball des Sports. Seine neue Form begeisterte im März mit einer glanzvollen Premiere die Besucher. Die nächste – mutmaßlich im März 2015 – hat schon einen besonderen Programmpunkt. Sie erlebt ein schwarz-grünes Spitzen-Paar als Vortänzer: Gottfried Jung – Spitzenkandidat der CDU – wird Irmgard Münch-Weinmann – grüne Listenführerin – zum Tanz bitten. Das hat der leidenschaftlicher Tänzer auf der Bühne spontan fest versprochen. Und sie, ebenso leidenschaftliche Tänzerin – wird sich nicht lange bitte lassen. Ob sich dann Koalitionäre im Walzerschritt wiegen, Opposition gegen Regierung im Paso doble den Stierkampf inszenieren oder gar eine Beigeordnete mit einem Fraktionschef bei einer Rumba elegante Harmonie zum Ausdruck bringen, ist im Moment noch offen. Die Wähler schaffen mit ihren Kreuzchen am Wahltag die Grundlage für eine dieser Konstellationen. Wer führt, wenn dann die Musik erklingt, müssen die Tanzpartner entscheiden. Spontan und ganz bestimmt gendergerecht. Von wegen beim Tanzen führt immer der Herr … „Wir sind nicht gegen Kinder.“ Aber besser, sie vergnügen sich nicht gerade vor unserer Haustür. Das ist die Botschaft, die in diesen Tagen von Anliegern des Nonnenbachparks im Mausbergweg ausgeht. Dort suchen Eltern nach einem altersgerechten Spielplatz-Angebot für ihren inzwischen größer gewordenen Nachwuchs. Andere mögen das wohl nicht so, fürchten angesichts eines Bolz- und Basketballspielplatzes um ihre Ruhe. Während die einen nach Alternativen suchen, wo die Kinder, frei und doch in relativer Nähe toben können, schlagen die anderen Plätze möglichst weit weg vor. Ein tolles Thema zwar für den Wahlkampf, aber ein zweifelhaftes Signal für unsere nachwuchsarme Gesellschaft. Zu oft steht noch die ganz individuelle Sicht der Dinge im Vordergrund. Dabei wissen doch alle, dass es nur gemeinsam mit Toleranz und gegenseitiger Rücksichtnahme geht. Wie sagte eine Mutter: „Na und. Wir haben auch einen Basketballkorb vor unserem Fenster. Die spielen da aber nicht 24 Stunden am Tag.“ Immerhin reden die Parteien am Park noch miteinander und suchen nach einer Lösung ... Mit „Küssen verboten“ sangen sich einst die Prinzen mit klaren im Thomanerchor Leipzig geschulten Stimmen in den Pop-Himmel über der Republik. Küssen verboten gilt in Speyer allerdings nie. Hier ist Küssen erlaubt. Und seit die schwarze Ratsfrau Rosemarie Keller-Mehlem, ganz in Rot gekleidet, den „roten“ Handwerker Wolfgang Seiler beim Zunftbaumaufstellen vor der Alten Münz mit Wangenküsschen begrüßte und das auch noch dick in der Zeitung stand, diskutiert ganz Speyer auf der Straße, in Sozialen Netzwerken, bei Veranstaltungen über Küsschen, Küssen, wer darf wen und wie und überhaupt. Keller-Mehlem ist zur gefragten Ratgeberin in Küsschen-Stilfragen avanciert. Gabi Tabor, rote Ratskollegin, die gerne eher dunkel bis schwarz trägt, analysiert derweil knallhart, dass in der CDU ja alles und jeder geküsst werde. Sie persönlich liebe das ja gar nicht und nehme für sich in Anspruch auszuwählen. Die Schwarze – beim Wahl-Podium in der Stadthalle wieder ganz in Rot, erläuterte im Foyer ihrer Kollegin Unterschiede und Sinn der netten Wangenberührungs-Übung zur Begrüßung. Derweil sah sich sogar der OB gezwungen, Tabors „All-Kuss-Theorie“ zu widersprechen: „Nein, ich werde die Moderatoren zur Begrüßung nicht küssen“, erklärte er am Eingang zur Stadthalle nachdrücklich. Nur Angelika Wöhlert, als Ratsfrau wangenkussähnlich durchaus so drauf wie ihre Fraktionskollegin Keller-Mehlem, war als Stadtbeauftragte des Speyerer Handwerks über die Zunftbaum-Kuss-Berichterstattung gar nicht amused. Zu viele Details über das Polit-Schaulaufen rund um den Baum, zu wenig Würdigung der handwerklichen Leistung, zürnte sie am Redaktionstelefon. Und musste dann doch einräumen: „Es waren immer viele Politiker bei uns. Aber es stimmt, ein paar waren diesmal auch nur da, weil Wahl ist.“ Na also. Das war das Thema. Küsschen, Frau Wöhlert. Erfolg auf ganzer Linie, meldet die Sparkasse Vorderpfalz. Sie meint damit nicht unbedingt ihre Zahlen. Die leiden ein bisschen unter der Fusion der drei Häuser Ludwigshafen, Landkreis und Speyer. Aber ansonsten läuft’s wohl. Vorläufige Krönung: die offensichtlich ziemlich reibungslose Zusammenführung der Kundendatensätze und Konten – die „technische Fusion“ am vorigen Wochenende. Daten, Computer, Netze, die Technik sind das eine. Die Menschen das andere. Das zeigt der Stoßseufzer eines Sparkassenmitarbeiters aus Speyer. Die Fusion hat seinen Schreibtisch aus der Dom- in die Chemiestadt getragen. Nach einigen Wochen S-Bahn-Fahrt könne er „mit Fug und Recht“ behaupten, dass er sich so allmählich mit Ludwigshafen vertraut gemacht habe. Das Flair der Stadt habe sich ihm allerdings noch nicht so ganz offenbart. „Wenn ich dann ab und an in der Mittagspause an der Rheinpromenade in Ludwigshafen spazieren gehe, heitere ich mich mit dem Gedanken auf, dass das Rheinwasser, das gerade hier vorbeifließt, noch vor wenigen Stunden in Speyer war …“ Ist dem noch was hinzuzufügen?

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