Schwetzingen Wie damals bei Mozart: Was Corona und die Pocken gemein haben

Mozart: ein Miniaturporträt. Heute vor 230 Jahren starb das Musikgenie.
Mozart: ein Miniaturporträt. Heute vor 230 Jahren starb das Musikgenie.

„Mozart und die Pocken“: Angela Bräunig von der Mozartgesellschaft in Schwetzingen hat in den Briefen von Vater Leopold geschmökert und interessante Parallelen im Blick auf die Corona-Pandemie entdeckt.

Zum 230. Todestag von Wolfgang Amadeus Mozart am 5. Dezember hat die Mozartgesellschaft Schwetzingen sich zurückversetzt an das Ende des 18. Jahrhunderts – eingedenk der Situation, in der sich unzählige Kunstschaffende derzeit wieder befinden. Vorstandsmitglied Angela Bräunig hat interessante Zeilen in den Briefen von Vater Leopold entdeckt, wie es in einer Mitteilung heißt. Am 10. November 1763, bereits vier Monate nach ihrem Schwetzinger Aufenthalt, trafen die Mozarts in Paris ein, wo sie bis ins Frühjahr 1764 verweilten. Dort grassierte wie überall in Europa die Angst vor den Blattern (Pocken), deren Vorboten jeder kleine Katarrh sein konnte. So schreibt Vater Leopold am 22. Februar 1764 aus Paris an Lorenz Hagenauer nach Salzburg: „... Meinen lieben Wolfgang überfühle ein gähliges Halswehe und Carthar, daß er, da er den Carthar in Frühe den 16ten merckte, in der Nacht ein solches stecken im Hals bekam, daß er in Gefahr war zu ersticken. (....) Die Hitze, die ganz erstaunlich war, dämpfte ich nach und nach mit dem pulvre antispas:Hallen: und Gott Lob, in 4 Tagen stund er wieder vom Bethe auf, (....) Ich habe ihn dann mit ein wenig aqua laxat:Vien: laxiren machen; nun ist er Gott Lob, gut.“

Flucht vor Pocken misslingt

Neben der Sorge um seine Kinder macht sich Leopold auch Gedanken wegen der krankheitsbedingten finanziellen Ausfälle. Er berichtet: „(...) Ich würde auch 12. Louvis d'or wenigst mehr haben, wenn meine Kinder nicht hätten einige Tage das Haus hüten müssen (...) wissen sie, was die Leute hier immer wollen? - Sie wollen mich bereden meinem Bueben die Blattern einpfropfen zu lassen. Nachdem ich nun aber meinen wiederwillen gegen dießen Vortrag genug habe zu verstehen gegeben, so lassen sie mich zu frieden. Hier ist es allgemeine Mode, nur, daß man es ohne Erlaubniß nicht in der Stadt, sondern auf der Campagne thun darf: dieß aber nur darum, weil wegen dem guten Erfolg der Einpfropfung, die Leute hauffenweis und zu gleicher Zeit, sowohl die kleinen als erwachsenen, die Blattern haben einpfropfen lassen (...).

Keine vier Jahre später sollte es den zwölfjährigen Mozart schließlich doch erwischen. Am 23. Oktober 1767 war die Familie vor den Pocken aus Wien nach Brünn geflohen. Vater Leopold schreibt hierzu: „… sobald aber die Erzherzogin Elisabeth sich übel befand, ließ ich mich von nichts mehr aufhalten, dann ich konnte den Augenblick kaum erwarten, meinen Wolfgang: aus den mit den Blattern gänzlich angesteckten Wien in eine andere Luft zu führen.“ Für die am 15. Oktober 1767 verstorbene Erzherzogin wurde Staatstrauer angesagt; die Theater schlossen für sechs Wochen.

Graf von Podstatsky bietet Obdach an

Die Mozarts sind schon am 26. Oktober nach Olmütz weitergefahren, wo sie mit dem bereits kränkelnden Wolfgang zunächst feuchte und schlecht heizbare Zimmer im „Schwarzen Adler“ bezogen. Vater Leopold sprach beim Grafen von Podstatsky vor, der den Kranken sofort in seine Residenz bringen ließ. „Der Wolfgang wurde in lederne Lainlachen und Beltze eingewickelt und in den Wagen getragen…“ So fuhr der Vater mit seinem Sohn in die Domdechantey, wo er alle sechs Stunden ein Pulver aus etwa sechs Substanzen bekam und dazu Tee von Scabiosen und Myrrhen, zuvor Markgrafen Pulver und Schwarz Pulver. Dass das arme Kind diese martialischen Behandlungsmethoden überhaupt überstanden hat, grenzt allein schon an ein Wunder. Verschiedene geplante Reisen mussten abgesagt werden; die Mozarts hatten genau wie Künstler heute keine Planungssicherheit.

Am 10. November 1767 berichtet Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer nach Salzburg: „Te Deum laudamus! Der Wolfgangerl hat die Blattern glücklich überstanden. Und wo? - in Ollmitz! Und wo? - In der Residenz Sr. Excellenz Herrn Grafen Podstatsky.“ Und am 29. November 1767 ebenfalls an Hagenauer: „Te Deum laudamus! Meine Tochter hat die Blattern glücklich überstanden!“.

Wie Corona aus Asien

Die Pocken werden wie Corona durch Tröpfchen übertragen und kamen ebenfalls aus dem asiatischen Raum nach Europa. Voltaire schrieb damals:„In der ganzen Welt haben von hundert Personen sechzig die Pocken.“ Die Kardinalfragen damals wie heute: Ausrottung durch Prävention, Suche nach einem geeigneten Impfstoff und Einführung der Impfpflicht. Kaiserin Maria Theresia, die selbst die Blattern überstanden hatte, aber mehrere ihrer Kinder durch sie verlor, setzte sich sehr für die sogenannte Variolation ein, eine Impfung mit menschlichem Blatternsekret, dass aus den Pusteln von Erkrankten gewonnen wurde. Die britische Gesandtengattin Mary Mantagu lernte dieses Verfahren in Konstantinopel kennen und konnte englische Ärzte dafür gewinnen, es anzuwenden und weiterzuentwickeln. Ebenso wie der englische König Georg ließ Maria Theresia ihre jüngeren Kinder mit dem Lebendimpfstoff impfen.

Der englische Landarzt Edward Jenner ging neue Wege: Er nahm 1796 die erste Pockenschutzimpfung mit dem Impfstoff Rinderpockenlymphe vor. Die Vakzination setzte sich flugs in ganz Europa durch. Das Königreich Bayern – und das Großherzogtum Hessen führten bereits 1807 die Impfpflicht ein. Auch Impfgegner gab es damals schon. Es bildeten sich lokale „Impfzwanggegnervereine“, sogar ein „Verein impfgegnerische Ärzte“ wurde gegründet. Es hat gut 150 Jahre bis zu einer weltweiten Impfpflicht durch die WHO gebraucht und damit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Ausrottung der Pocken geführt, die unzählige Menschenleben gekostet hatte.

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