Speyer Weitgehend unbekannt, aber zeitgemäß

Kräuter-Experte: Jürgen Walter (mit Hut) bei einer Exkursion in Römerberg.
Kräuter-Experte: Jürgen Walter (mit Hut) bei einer Exkursion in Römerberg.

Garten-Blogger aus den USA sollen erstmals 2003 den 28. März zum „Ehrentag des Unkrauts“ erklärt haben, wie auf verschiedenen Internet-Seiten zu lesen ist. Auch wenn sich seine Bekanntheit bisher in Grenzen hält, passt dieser „Ehrentag“ doch zu dem derzeit vielfach thematisierten Artensterben bei Pflanzen und Tieren. Biologe Jürgen Walter aus Harthausen, Vorsitzender des Speyerer Naturschutzbeirats, sieht Gedanken zum Umgang mit „Unkraut“ auch für die Region Speyer als wichtig an.

„Ich habe bisher nicht gewusst, dass es einen solchen Tag gibt“, sagt Walter. Ihn persönlich beschäftige der Begriff „Unkraut“ seit seinem Biologiestudium in den 1970er- und 80er-Jahren. „Damals begann die Naturschutzbewegung“, blickt er zurück. Der Gebrauch des Wortes „Unkraut“ sei in ihrer Folge zu einem Tabu geworden. „Es wurde aus dem Wortschatz gestrichen“, sagt er. Auch Walter selbst habe den Begriff lange Zeit nicht mehr verwendet. Das Dogma, dass alle Pflanzen jederzeit und überall eine Daseins-Berechtigung hätten, werde seit einigen Jahren zunehmend hinterfragt, weiß das Mitglied mehrerer Naturschutzverbände. „Es gibt wieder einen bewussten Gebrauch des Wortes Unkraut. Auch ich verwende es wieder, habe mir das aber erst angewöhnen müssen“, teilt Walter mit. Aus Sicht des 62-Jährigen ist Unkraut „immer etwas, das dort nicht gewünscht wird, wo es wächst“. Das Kriterium dafür, was wünschenswert ist und was nicht, sei das jeweilige „menschliche Interesse“. Die klassische Definition von Unkraut kommt Walter zufolge aus der Landwirtschaft und dem Gartenbau. „Unkraut ist so verstanden all das, was mit Nahrungspflanzen um Wasser, Licht und Nährstoffe konkurriert“, erklärt er. In neuerer Zeit würden unter diesem Begriff auch solche Gewächse geführt, die auf Flächen mit Zierpflanzen oder Steinen in Erscheinung treten. „In Steingärten kann vom Besitzer alles als störend empfunden werden, was dort nicht angepflanzt wurde. Dasselbe gilt beispielsweise für den englischen Rasen“, sagt der Experte. Walter kennt in seinem eigenen Hausgarten selbst Unkräuter. „Ich baue alte Tomatensorten an. Auf der Fläche, auf der ich die Tomaten ab Mai anpflanze, darf bis dahin wachsen, was von Natur aus vorkommt“, teilt er mit. Ehrenpreis und Purpurrote Taubnessel beispielsweise bekämpft der Biologe durch Abschneiden, Hacken und Umgraben nur von Mai bis August. Weil die Kräuter den bis zum Spätsommer groß gewordenen Tomaten nichts mehr anhaben könnten, dulde er sie dann wieder. Von den Blüten der Purpurroten Taubnessel profitierten bereits im März Wildbienenarten, insbesondere Hummeln, sagt der Hobbygärtner. „Die Bienen bestäuben später auch die Blüten meiner Beerensträucher. Das führt zu einer besseren Ernte“, nennt Walter einen Vorteil für seine Nutzpflanzen. Wildbienen fänden Pollen darüber hinaus bei Tomaten, Kürbissen und Zucchini. Auch dort führten sie zu vielen Früchten. Beruflich betreut Walter geschützte Biotope in der Pfalz. Ehrenamtlich führt er Exkursionen, auch zum Thema Kräuter, durch. Ihm ist aufgefallen, dass es in der Landwirtschaft der Region immer größere Felder mit Monokulturen – von Getreide bis Gemüse – gebe; Randstreifen mit blühenden Kräutern, etwa Kornblume und Kamille, seien sehr selten geworden. „Dadurch gibt es kaum noch Wildbienen auf diesen Flächen, so dass manche Landwirte schon Hummelvölker auf ihren Feldern aufstellen lassen, die die Pflanzen bestäuben“, berichtet er. Angesichts eines Artenschwunds bei (Wild-)Kräutern, Insekten und Vögeln appelliert Walter an Landwirte und (Hobby-)Gärtner: Sie sollten bei Entscheidungen über ihren Umgang mit Unkraut die Kosten und Nutzen nicht nur eigennützig abzuwägen. Vielmehr sollten sie auch die Folgen für die Natur mitbedenken – und damit auch für die Menschen.

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