Speyer Verrückte Versionen

Bei einem Konzert von Jutta Brandl und Bernhard Sperrfechter am Freitag im Speyerer Zimmertheater blieben mehr Sitze leer als zu erwarten war. Dafür erlebten die, die da waren, einen besonderen Abend.

Zwei Sänger (ja, auch Sperrfechter singt, wenn auch nicht so oft und nicht als Solist), drei Gitarren und ein Programm, das sich zwischen Klassikern des Jazz, des Pop und dem bewegt, was man gerne als „Americana“ bezeichnet, also Musik, die sich aus Country, Folk und Blues speist: Entsprechend waren die drei Instrumente Sperrfechters eine Jazz-, eine akustische und eine E-Gitarre. Fast überflüssig zu sagen, dass er die Spieltechniken und Stile so mühelos wie die Instrumente wechselte. Brandl ist eine gewiefte Jazzsängerin, die mit ihrer Stimme wie mit einem Musikinstrument umgeht – nicht nur bei dem wortlosen Scat-Gesang, den sie reichlich einsetzte. Sie verstellt die Tonhöhe und Register, schiebt Scat-Improvisationen ein und erzählt Geschichten. Beide, die menschliche und die instrumentale Stimme, waren gleichberechtigte Partner. „Spring Can Really Hang You Up The Most“ etwa ist ein Standard aus den 50ern und beschreibt das Gefühl, wenn um einen herum alle Frühlingsgefühle haben, nur einem selbst ist der Partner verloren gegangen, und sie singt es mit einer Stimme, die ganz jung klingt, als ob sie gerade eben diese Erfahrung macht. Die Beatles-Songs „Eleanor Rigby“ und „Blackbird“ klingen in der nur leicht „jazzigen“ Version immer noch wie Beatles-Songs – nur dass man da jetzt noch mehr heraus zu hören scheint. James Taylors „Close Your Eyes“ – damals als Duo mit Carly Simon aufgenommen – singen sie nahezu unverändert als Duo, und „Secrets Of Life“ bekommt ein paar akustische Gitarren-Solo-Einschübe und klingt „jazzig“ immer noch unverkennbar, aber nicht mehr so sentimental. Mit „Quiet Nights“ , der amerikanischen Fassung von „Corcovado“ von Antonio Carlos Jobim, war auch ein Bossa Nova im Programm. Von Joni Mitchell war das bittersüße „Both Sides Now“ dabei, und ganz tief in die 60er führte „Proud Mary“, die Geschichte über einen Mississippi-Raddampfer von Creedance Clearwater Revival. Dazwischen waren reichlich Jazzstandards: von „Centerpiece“ über „It Could Happen To You“ und „The Meaning Of The Blues“ bis hin zum -offiziellen Schlusslied „Twisted“ von Annie Ross – eigentlich ein Saxofon-Solo, in dem sich ein ziemlich schräger Text über Verrücktheiten mit viel virtuosen Vocalisen mischt. Eine der beiden Zugaben war fast noch verrückter: eine Jazz-Version von Katja Ebsteins „Wunder gibt es immer wieder“. Und in der zweiten Zugabe gab es wieder einen Stilwechsel – mit dem Volkslied „Du, du liegst mir im Herzen“. Die Ansagen übernahmen die beiden selber und fanden dabei zu einem spielerischen Ton. „Wir sind nicht angesagt“, so Sperrfechter – und meinte das nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern auch in Bezug auf leere Stühle. Das, fanden die Zuhörer, kann man nicht sagen.

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