Speyer „Verbrannte Orte“ : Vortrag und Ausstellung

Fotocollage: Links der Bericht der Speyerer Zeitung vom 8. Mai 1933 über die Bücherverbrennung in der Stadt/rechts der Ort der B
Fotocollage: Links der Bericht der Speyerer Zeitung vom 8. Mai 1933 über die Bücherverbrennung in der Stadt/rechts der Ort der Bücherverbrennung in Mainz-Gonsenheim.

Zurzeit ist im Landesbibliothekszentrum/Pfälzische Landesbibliothek die Ausstellung „Verbrannte Orte – Bücherverbrennung 1933 in Deutschland“ in Kooperation mit dem Verein „Verbrannte Orte“ zu sehen. Dessen Initiator Jan Schenck spricht heute Abend in der Landesbibliothek und stellt sein Projekt vor.

Die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten begannen schon wenige Monate, ja Wochen nach der Machtergreifung der Nazis am 30. Januar 1933. Für den Fotografen und Initiator des Projekts „Verbrannte Orte“ Jan Schenck sind sie, wie er im Gespräch mit der RHEINPFALZ sagt, ein deutliches Indiz für das, was kommen wird – und auf schreckliche Weise gekommen ist. Und als Mahnung, was aus solch fatalen Aktionen werden kann, hält er die bleibende Erinnerung an diese Ereignisse für so wichtig. „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, dieses berühmte Zitat von Heinrich Heine gibt auch seine Auffassung wider.

Die Internetseite des eingetragenen Vereins „Verbrannte Ort“ – www.verbrannte-orte.de – dokumentiert die NS-Bücherverbrennungen durch eine Karte der Tatorte und zahlreiche Dokumente. Dort sind auch zeitgenössische Texte zu lesen, unter anderem einen des Schriftstellers Arnold Zweig, der es ähnlich formuliert wie Heinrich Heine: „Wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Bibliotheken, bombardiert offene Städte, schießt mit Ferngeschützen oder Fliegerbomben Gotteshäuser ein. Die Drohung, mit der die Fackel in den Bücherstapel fliegt, gilt nicht dem Juden Freud, Marx oder Einstein, sie gilt der europäischen Kultur, sie gilt den Werten, die die Menschheit mühsam hervorgebracht und die der Barbar anhaßt, weil er halt barbarisch ist, unterlegen, roh, infantil.“

Über 70 neue Tatorte wurden bekannt

Als Bücherfreund hat Jan Schenck, der aus Norddeutschland kommt, das Thema schon lange interessiert – und als Fotograf machte er sich auf die Suche nach den Tatorten, die er in ihrem heutigen Zustand fotografisch dokumentiert. So entstand die derzeit in Speyer im Landesbibliothekszentrum/Pfälzische Landesbibliothek zu sehende Ausstellung, entstand der Atlas auf der Internetseite – und ist ein Buch entstanden, das nun erscheinen wird.

Bei der nicht immer einfachen Suche nach den Tatorten der Bücherverbrennungen, den „verbrannten Orte“, fand Jan Schenck zunächst Hilfe bei meinem Atlas, den das Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam erstellt hat und der 90 Orte umfasste.

Mittlerweile sind 164 Orte bekannt. Durch die Arbeit von Schenck und in der Folge seines Projekts wurden also über 70 weitere Orte von Bücherverbrennungen ermittelt. Dazu gibt es zunehmend neue Erkenntnis über diese Aktionen, etwa auch darüber, welche Bücher verbrannt wurde. Es gab da gezielte und auch eher planlose Aktionen – und auch Schriften regionaler Schriftstellerinnen und Schriftsteller konnten betroffen sein.

Erinnerung mit zusätzlicher Dimension

Bekannt sind die Bücherverbrennungen um den 10. Mai 1933 mit der zentralen Aktion auf dem Bebelplatz in Berlin. Doch schon im März war zu ersten spontanen Bücherverbrennungen etwa nach der Plünderung von Bibliotheken, Durchsuchungen und Verhaftungen gekommen.

Jan Schenck hat diese Ort fotografiert, so wie sie heute aussehen. Er will den Orten der damaligen Bücherverbrennungen ein Gesicht geben, damit diese nicht in Vergessenheit geraten. Durch diese visuelle Begegnung gibt er der Erinnerung eine zusätzliche Dimension über das Wissen um die historischen Fakten hinaus. Neben den Fotos erstellt Jan Schenck auch interaktive Panoramen, mit denen man die betreffenden Orte erkunden kann.

„Wie sehen die Orte heute aus und betrachten wir sie anders, mit dem Wissen um die historischen Ereignisse?“, das sind Fragen, die dabei gestellt werden. „Das Projekt will neue Formen der Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen anbieten und eine Vielzahl von unterschiedlichen Zugängen entwickeln. Neben der ,Digitalen Erinnerung’ gehören auch Ausstellungen, Vorträge und die Förderung der lokalen Erinnerungsarbeit dazu“, so steht es auf www.verbrannte-orte.de. Weiter heißt es da: „Wie sehen die Orte, fast 90 Jahre nach den Bücherverbrennungen, heute aus? Welchen Zweck erfüllen die Orte heute und wie betrachten wir sie in dem Wissen um das historische Geschehen? Gibt es sichtbare Zeichen der Erinnerung an den Orten und sind regionale Formen einer Erinnerungsarbeit erkennbar? Mit diesen Fragen befasst sich das Projekt.“

Auch Stolpersteine

Jan Schenck versteht die von ihn ins Bild gesetzten Orte der damaligen Bücherverbrennungen als Stolpersteine, die uns heute daran mahnen sollen, was damals geschehen ist. Damit ergibt sich eine Analogie zum Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig, der auf Straßen Stolpersteine an den letzten frei gewählten Wohnorten von Opfern des NS-Terrors verlegt.

Die Erinnerungsarbeit des Vereins „Verbrannte Orte“ ist sehr vielfältig. Neben der Ausstellung, die nun in Speyer zu sehen ist und zu der und seinem Projekt Jan Schenck heute Abend vor Ort sprechen wird, gibt es auch Unterrichtsmaterialien für Bildungsarbeit an Schulen oder anderen Institutionen.

Info

Am Mittwoch, 19. April, wird es im Landesbibliothekszentrum/Pfälzische Landesbibliothek um 19 Uhr einen Begleitvortrag zur Ausstellung geben. Der Kurator und Fotograf Jan Schenk wird die Hintergründe erläutern und in das Thema einführen; ergänzend wird der Sammlungsleiter des Landesbibliothekszentrums Rheinland-Pfalz, Armin Schlechter, einen Blick auf die Situation in Speyer werfen. Die Ausstellung „Verbrannte Orte – Bücherverbrennung 1933 in Deutschland“ in Kooperation mit Verbrannte Orte e. V. ist bis zum

Donnerstag, 27. April, im Landesbibliothekszentrum/Pfälzische Landesbibliothek, Otto-Mayer-Straße 9, Öffnungszeiten Montag bis Freitag 9 bis 18 Uhr, Samstag 9 bis 12 Uhr zu sehen.

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