Speyer Untergang einer Liebe

Der Untergang der Titanic in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1912 war gleichzeitig der Untergang einer großen Liebe. Auch an das Schicksal des gebürtigen Otterbergers Isidor Straus (67) und seiner aus Worms stammenden Frau Ida (63), geborene Blün, erinnert noch bis 28. Juni die Titanic-Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz (wir berichteten). Am Donnerstag referiert Roland Paul, Direktor des Instituts für pfälzische Geschichte und Volkskunde (Kaiserslautern) über das Ehepaar und die Auswanderung im 19. Jahrhundert.

Beide zählten zu den 1524 Opfer unter den 2200 Passagiere und 1000 Besatzungsmitgliedern. Seine letzte Lebensphase schilderten die Zofe der Familie, Ellen Bird, und nach den Angaben anderer Überlebender auch John Badenoch, Passagier der Carpathia, die 700 Schiffbrüchige der Titanic aufnahm. Badenoch kannte das Paar persönlich. Er war Lebensmitteleinkäufer für das heute noch größte Kaufhaus der Welt, des damals in der der 14. Straße von York York ansässigen Macy’s, später bis heute 18. Straße/Ecke Broadway. Die Macy’s-Besitzer, die schwerreichen Brüder Isidor und Nathan Straus, genossen in USA großes Ansehen. Isidor war ab 1894 eine Zeitlang Abgeordneter der Demokraten im Repräsentantenhaus. Isidor und Ida Straus, deren Privatvermögen auf 50 Millionen Dollar geschätzt wurde, hatten für die Jungfernfahrt der für unsinkbar gehaltenen, in Belfast gebauten Titanic von Southampton nach New York mit dem Ticket 17483 eine Suite neben der von John Jakob Astor IV. und dessen Frau Madeleine gebucht. Hotelmagnat Astor, genannt JJ, war damals der reichste Mann der Welt. Die beiden Straus’ waren mit der Zofe und dem Diener John Farthing am 10. April an Bord gegangen. Wie wohl alle Passagiere ahnungslos, dass auf der Titanic nach dem damaligen, für weitaus kleinere Schiffe geltenden Vorschriften zu wenig Rettungsboote vertäut worden waren. Was in der Nacht zum fünften Überfahrtstag die Katastrophe steigerte, nachdem der 269 Meter lange und etwas über 28 Meter breite Vier-Schornsteine-Dampfer etwa 300 Seemeilen südöstlich von Neufundland einen Eisberg gerammt hatte. Als das seinerzeit weltgrößte Schiff zu sinken begann, gingen Isidor und Ida Straus zum Rettungsboot 8 auf der Backbordseite. Aber anders als auf der anderen Seite durften hier keine Männer mitgenommen werden. Der mit den Rettungsmaßnahmen beauftragte Schiffsoffizier wollte aber für Isidor Straus wegen dessen fortgeschrittenen Alters und wohl wegen seines Abgeordneten-Status eine Ausnahme machen, doch der lehnte ab: „Nicht, so lange noch Frauen und Kinder auf dem Schiff sind“. Daraufhin weigerte sich Ida Straus, ihren Mann zu verlassen. „Wir haben viele Jahre zusammen gelebt. Wo du hingehst, will auch ich hingehen“, soll sie gesagt haben. Das Rettungsboot legte ohne sie ab, ihre Zofe war dabei. John Badenoch schrieb später, was er von Überlebenden erfahren hatte: „Sie haben Mut und Fassung bewahrt bis zum Ende, haben überwältigende Hingabe und Liebe bewiesen.“ Das Ehepaar Straus sei zuletzt auf Liegestühlen gesehen worden, ehe es von einer Welle verschlungen worden sei. Isidors Straus’ Leichnam wurde von dem Suchschiff Makay-Bennett geborgen und später in New York beigesetzt. Seine Frau blieb verschollen. Nahe seinem letzten Wohnort, dem Haus 25 - 47 Boadway/105th Street, erinnert seit 1912 der „Straus-Park“ samt Denkmal an das Ehepaar.

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