Speyer Sehnsucht und Kampfgeist

LINGENFELD. Christiane Bienroth macht aus ihren Gefühlen und der Sehnsucht nach der Arbeit keinen Hehl: „Mir fehlen die Kinder unheimlich“, sagt die 48-jährige Erzieherin, die in der kommunalen Kindertagesstätte Sonnenstrahl in Schwegenheim beschäftigt ist. „Ich freue mich, wenn ich endlich wieder arbeiten kann.“ Kollege Florian Michel (28) pflichtet ihr bei: „Wir freuen uns auf jeden Fall wieder darauf, die Kinder zu sehen.“ Wann das sein wird, weiß im Moment niemand. Denn die Gewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi haben die Erzieher in kommunalen Kindertagesstätten und Horten zum unbefristeten Streik aufgerufen, die Schwegenheimer Einrichtung beispielsweise wird seit dem 8. Mai bestreikt. Die Erzieher müssen jetzt durchhalten, findet Thorsten Müller (34), Erzieher in Hanhofen: „Ich denke, wir müssen da jetzt durch. Wir würden das unseren Eltern gerne ersparen, aber wenn wir jetzt aufhören, ist es vorbei.“ Wie berichtet, fordern die Gewerkschaften für die Erzieher eine höhere Eingruppierung und damit durchschnittlich zehn Prozent mehr Geld. Die Arbeitgeber zeigten sich bereit, Eingruppierungen zu ändern, halten ein pauschales Plus von zehn Prozent aber für zu hoch. Nach fünf Gesprächsrunden hatten die Gewerkschaften Ende April die Tarifverhandlungen für die rund 240.000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst für gescheitert erklärt und die Urabstimmung über den unbefristeten Streik eingeleitet. Doch Geld, das ist nicht alles – das ist Erzieherin Susanne Hammer (31) wichtig zu betonen: „Es geht uns um die Wertschätzung und die Anerkennung.“ Und es sei angebracht, mehr Personal in den Kitas einzustellen: „Die Kleinen brauchen viel mehr Aufmerksamkeit.“ Hammer ist mit einem Teil ihrer Kollegen der kommunalen Kita und des Horts St. Martinus Lingenfeld zum Rathaus gekommen. Die Hälfte der Erzieher (sechs) ist in der Gewerkschaft Verdi organisiert und streikt seit gestern, die andere Hälfte hält eine Notversorgung aufrecht. Die Erzieher wurmt es, dass ihr Streik in der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wird – anders als der Streik der Lokführer von der GDL, wie Tanja Lenhardt, stellvertretende Leiterin der Kita Sonnenstrahl in Schwegenheim, ausführt. Der 42-Jährigen sind ein paar Punkte zu kurz gekommen in der öffentlichen Diskussion: „Es wird nie erwähnt, dass Erzieher zurückgestuft werden, wenn sie die Einrichtung wechseln“, nennt sie ein Beispiel. Hinzu komme: Der Erzieherberuf sei als Ausbildungsberuf unattraktiv und zwar deswegen, weil man erst im fünften Ausbildungsjahr (dem Anerkennungsjahr) Geld bekomme. Am Donnerstag treffen sich die Vertreter der kommunalen Arbeitgeber zu Gesprächen in Frankfurt am Main – die Erzieher werden hinfahren und dort demonstrieren, es werden 13.000 Streikende erwartet, berichtet Lenhardt. Thorsten Müller wünscht sich auch vor Ort mehr Unterstützung: „Jeder Bürgermeister und jede Gemeinde kann einen Brief schreiben.“ Und somit Druck auf die Arbeitgeberseite ausüben. Bei den vom Streik betroffenen Eltern ist die Stimmungslage gemischt, wie die Erzieher berichten. Andrea Breitner (36, Kita Villa Sonnenburg, Hanhofen) sagt: „Zum größeren Teil verstehen die Eltern es und sagen: ,Macht weiter, sonst macht das Ganze keinen Sinn.’“ Aber die Langmut der Eltern werde in der mittlerweile dritten Streikwoche auch auf den Prüfstand gestellt, hat Lenhardt festgestellt: „Jetzt ist die Geduld am Ende.“ Breitner, die mit Müller im Streikbüro in Speyer in der Streikleitung ist, fürchtet, dass die Arbeitgeber auf Zeit spielen: „Wir sind alle im sozialen Beruf.“ Und da sei es schon so, dass die Arbeitgeber die Einstellung, die man in einem solchen Beruf hat, ausspielen könnten – so nach dem Motto: „Wie lange halten sie es aus?“

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