Speyer „Schlupflöcher gefunden“

Mit seinem aktuellen Buch „Kim und Struppi – Ferien in Nordkorea“ ist der Autor Christian Eisert am Dienstag, 9. September, 20 Uhr, für eine Lesung in der Buchhandlung Osiander in Speyer zu Gast. Anne Kirchberg hat mit dem 37-jährigen Berliner über seine Reise durch das Land gesprochen.

Wie kamen Sie auf die Idee, ausgerechnet nach Nordkorea zu reisen?

Ausschlaggebend war meine Kindheit, in der ich die „Schule der Freundschaft zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Koreanisch Demokratischen Volksrepublik“ besuchte. Wir bekamen dort immer wieder Besuch von nordkoreanischen Gästedelegationen, denen wir etwas vorführen mussten, was auch zu einigen im Buch beschriebenen Peinlichkeiten führte. Bei einem der Besuche wurde uns ein Propagandafilm gezeigt, in dem eine riesige regenbogenfarbene Wasserrutsche vorkam, die der Führer Kim Jong-un in der Hauptstadt Pjöngjang für die Kinder seines Landes gebaut hatte. Ich war als Kind davon begeistert, habe sie nie aus dem Kopf gekriegt und sagte deshalb irgendwann im Spaß zu meiner besten Freundin: „Lass uns die Rutsche suchen!“ Und dann haben wir das gemacht. Das klingt lustig. Aber hat Ihnen Ihr Umfeld nicht davon abgeraten? Ja, und nachdem sie das Buch gelesen hatten, wurde allen die Gefahr noch mehr klar. Man meint ja über Nordkorea einiges zu wissen, das ist alles jedoch ziemlich abstrakt. Nachdem sie in meinem Buch über einige Hintergründe erfuhren, hätten meine Freunde mich wohl nicht fahren lassen. Es war ja auch recht gefährlich: Meine Begleiterin Thanh als Journalistin und mich als Fernsehautor hätte man nie ins Land gelassen, weshalb wir etwas an unseren Biografien feilen mussten. Wäre das aufgeflogen, hätten wir richtig Ärger bekommen. Aktuell sitzen einige Journalisten im nordkoreanischen Gefängnis und sind zu zwölf Jahren Straflager verurteilt. Warum gingen Sie dieses Risiko ein? Zum einen, weil ich als Kind so viel über das Land erfahren habe und es nun mit eigenen Augen sehen wollte. Zum anderen interessierte mich, wie Nordkorea eine Gesellschaftsform konserviert hatte, in der ich aufwuchs. Das war keine Ostalgie, sondern vielmehr die Lust auf eine Art Zeitreise. Obwohl mir vorher schon klar war, dass Nordkorea im Vergleich zur DDR eine verschärfte Nation des Kommunismus und Sozialismus ist. Können Sie eine Reise nach Nordkorea empfehlen? Das kommt ganz darauf an, es gibt Menschen, die dort wahrscheinlich an ihre Grenzen stoßen und mit all den Regelungen und Beschränkungen nicht zurechtkommen. Andere würden sagen, dass Nordkorea ein wahnsinnig interessantes, einmaliges Land ist. Aber man muss es hinnehmen können, sich keinen Schritt alleine im Land bewegen zu dürfen und die gesamte Zeit von sogenannten Reiseleitern begleitet zu werden. Falls man nur einen Schritt alleine auf die Straße macht, stürmt sofort jemand hinter einem her und fängt einen höflich ab – natürlich nur zur eigenen Sicherheit. Wir haben aber trotzdem unsere Schlupflöcher gefunden. Sie schreiben sonst über Humor. Aber Humor und Nordkorea in einem Satz – das ist irgendwie schwierig … Ja, das bekommt man im ersten Moment überhaupt nicht zusammen – mit der Ausnahme, dass man oft Kuriositäten aus dem Land hört, über die sich gerne lustig gemacht wird. Das war jedoch nicht mein Ansatz, denn er wird weder dem Land noch den Menschen gerecht. In „Kim und Struppi“ erwächst die Komik aus einem leichten Erzählton und unseren oft scharfzüngigen Wortwechseln. Gleichzeitig schreibe ich mit einer gewissen Ironie, ohne mich lustig zu machen. Das bestätigen mir auch Südkoreaner, die mein Buch gelesen und positiv aufgenommen haben, was mich sehr freut. Anscheinend konnte ich mit dem Mittel des Humors die Hemmschwelle zu Nordkorea abbauen. Unter dem Mäntelchen der Unterhaltung erfahren die Leser dann allerlei Hintergründe – zum Beispiel, dass die Südkoreaner nicht unbedingt immer die Guten sind. Gab es auf Ihrer Reise eine Begegnung, die Sie besonders beeindruckte? Es ist schwierig, es auf eine einzige zu beschränken. Ein großer Moment war der Tanz zu „Tränen lügen nicht“ in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea. Diese Gegend gilt als eine der gefährlichsten Grenzen weltweit, hier kann jeder Fehltritt tödliche Folgen haben. In einem sogenannten Soldatenrestaurant schunkelte ich zur Melodie von „Tränen lügen nicht“, während mir mein Reiseleiter erklärte, das Stück sei „Weltmusik“, also sehr bekannt. Er fragte mich, ob ich tanzen möchte, und ich antwortete, dass ich dazu noch eine Frau bräuchte. Und schon hatte ich eine hübsche, kleine Nordkoreanerin im Arm und tanzte. Wie schaffen Sie es, all diese spannenden Erlebnisse in Ihrer Lesung unterzubringen? Ich möchte im besten Fall auslösen, dass sich die Menschen auf mein Abenteuer einlassen. Ich würde die Speyerer nämlich gerne mitnehmen auf meine Reise und sie gemeinsam mit ihnen noch einmal erleben. Neben der eigentlichen Lesung zeige ich auch einen Film, den ich im Land zum Teil heimlich gedreht habe, sowie Fotos. Außerdem beantworte ich im Anschluss noch Fragen aus dem Publikum. Ich freue mich sehr darauf!

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