Speyer „Klagen, Heulen und Jammern“ in Speyer

Es ist nur ein altes Schriftstück, aber es wirft ein Schlaglicht auf die womöglich dunkelste Stunde in Speyers Geschichte: Das Landesbibliothekszentrum hat in seinen Beständen eine Flugschrift zur Zerstörung der Stadt im Jahr 1689.

„Als nun auf solche erschröckliche Ankündigung der gantze Magistrat nebens denen anwesenden Bürgern/ worunter 60. 70. und mehr jährige Männer waren/ auf die Knie nidergefallen/ und um Abwendung solches unerhörten Verfahrens höchst-flehentlich angehalten/ solches aber nichts verfangen wollen/ so haben sie folgenden Tages nur um freyen Zug übern Rhein/ und Verlängerung der Zeit inständigst aber vergebliche Ansuchung gethan/ darauf ein jeder mit höchster Betrübnus solche traurige Zeitung erfahren/ da dann in der gantzen Stadt ein allgemeiner Zulauff/ und ein unbeschreib- und unglaubliches Klagen/ Heulen und Jammer/ von Alten und Jungen/ Mann und Weib/ vornehmen und geringen Stands-Personen entstanden.“ So heißt es in der Sprache des 17. Jahrhunderts in der Flugschrift. Was war geschehen? Nach dem Tod des pfälzischen Kurfürsten Karl II. 1685 hatte sich der Konflikt zwischen dem französischen König Ludwig XIV. und dem Deutschen Reich entzündet und zum Pfälzischen Erbfolgekrieg geführt. Im September 1688 hatte das französische Heer bei Straßburg den Rhein überquert, und im Oktober des gleichen Jahres war die Festung Philippsburg gefallen. Da Ludwig XIV. erkannt hatte, dass er sein Ziel – die Sicherung annektierter Gebiete – wegen der zunehmenden Gegenwehr deutscher Truppen nicht erreichen konnte, hatte er sich zu einer Politik der verbrannten Erde entschlossen, um so die französische Ostgrenze zu sichern. Neben Heidelberg und Worms war vor allem Speyer von den Verwüstungen betroffen. Nachdem bereits die Verteidigungsanlagen abgerissen worden waren, wurde den Bürgermeistern und Ratsherren am 23. Mai 1689 mitgeteilt, dass die Stadt binnen sechs Tagen vollständig geräumt werden müsse. Dabei war den Bewohnern verboten, sich über den Rhein zu flüchten. Über die Ankündigung der Ausweisung berichtet die Flugschrift. Nachdem die Stadt zwei Tage lang gebrannt hatte, hätten „etlich 100. Mann mit Bickeln und grossen Hebeisen ... alle noch stehende Mauren/ Gewölb/ Brunnen und Keller/ sonderlich aber was vom Thum noch übergeblieben/ einbrechen/ niederreissen/ verderben/ und was noch begraben oder eingemauret war/ wegnehmen sollen/ daß also keine Maur in der gantzen Stadt wird stehen bleiben.“ So heißt es weiter in dem Dokument. Flugschriften spielten im 17. Jahrhundert für die Verbreitung von Nachrichten neben den sich erst entwickelnden Zeitungen eine überaus große Rolle, wie Sachgebietsleiter Armin Schlechter vom Speyerer Landesbibliothekszentrum erläutert. „Es handelt sich um nur aus wenigen Blättern bestehende Druckerzeugnisse, die in hohen Auflagen hergestellt und weit verbreitet werden konnten.“ Berichte über die Vertreibung der Einwohner und die Zerstörung Speyers ließen sich in verschiedenen Flugschriften fassen, die teils auf brieflichen Nachrichten basierten.

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