Speyer Keine gemeinsame Linie beim Sparen

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Mit klaren Worten verteidigte Fraktionssprecher Gottfried Jung Entscheidungen der Stadtspitze gegen Kritik „in all ihrer Pauschalität“. So müsse manchmal externer Sachverstand in Rate gezogen werden, auch für verbessertes Stadtmarketing, so sei in Speyer „besser als in anderen Städten gewirtschaftet worden“, und so sei förderlich, dass Oberbürgermeister Hansjörg Eger (CDU) „massiv auf die Ausgabenbremse getreten“ sei und etwa das Controlling in der Verwaltung verstärkt habe – „auch wenn solche Maßnahmen nicht unbedingt geeignet sind, überall Freude zu bereiten“. Leider sei die Finanzausstattung der Kommunen in Rheinland-Pfalz schlechter als in anderen Bundesländern. Es gebe aber durchaus Möglichkeiten, Fördergeld zu erhalten: Die Stadt solle bis zum 31. Januar Mittel für LED-Beleuchtung im öffentlichen Raum beantragen. Sie solle sich dem Netzwerk „Gesunde Städte“ anschließen und weiter in den Klimaschutz investieren – ein Schritt dahin sei der geplante Bahnhaltepunkt Süd. Als Anliegen brachte Jung zudem die Einrichtung eines „Runden Tisches Wohnungsbau“ vor, ein städtisches Bauprojekt auf der Freifläche hinter der Jugendförderung und mehr Kreativität hinsichtlich neuer Bestattungsformen auf dem Friedhof. Beim „Kostentreiber“ Brandschutz sei Augenmaß gefragt. Für einen Kreuzfahrtanleger solle Geld beim Land beantragt werden, ebenso mehr Geld fürs Kinder- und Jugendtheater und Zuschüsse für die Sanierung des Russenweihers. Speyer sei in vielerlei Hinsicht auf dem richtigen Weg, und auch der Etat enthalte dafür Weichenstellungen, so Walter Feiniler. Er ging unter anderem auf das Ehrenamt und gute Leistungen der Stadtverwaltung bei der Flüchtlingsaufnahme ein: „In Zeiten wie diesen halte ich heute eine andere Haushaltsrede, als ich dies noch vor einem oder zwei Jahren getan hätte.“ Trotzdem erinnerte er an die Pflicht der Kommune, „gutes Wohnen für alle“ zu ermöglichen. Die städtische Gewo müsse sich stärker auf ihre „ureigene Aufgabe“, den Wohnungsneubau, besinnen. Generell müsse es mehr Wohnprojekte geben. Geringverdiener dürften nicht mit Flüchtlingen um Raum konkurrieren müssen: „Das wäre sozialer Sprengstoff, den wir unbedingt vermeiden müssen.“ Feiniler bedauerte, dass der Etat „von circa 90 Prozent Pflichtaufgaben“, vor allem im Sozialbereich, geprägt sei. Es gebe dennoch etliche Akzente, die für eine Weiterentwicklung der Stadt gesetzt werden könnten: So könne das Projekt „Soziale Stadt“ die dringend nötigen Entwicklungsperspektiven für das Neuland und den Vogelgesang schaffen. Für den nächsten Haushalt werde er Geld zur Neugestaltung der „Betonwüste Heinrich-Lang-Platz“ in Nord beantragen. Er warnte vor einer Überlastung der Stadtmitarbeiter, etwa beim Friedhof und in der Grünflächenabteilung. Die Schulsozialarbeit müsse weiter gestärkt werden; hier sei auch das Land in der Pflicht. Für besseres Essen regte er eine zentrale Küche für Kitas und Schulen in Speyer an, für den Kulturbereich einen „Speyerer Nachwuchspreis“, für die Wochenmärkte Änderungen: Vom Königsplatz solle es einmal pro Woche in den Vogelgesang gehen; auch der Fischmarkt wäre ein geeigneter Standort. Der Russenweiher müsse schnell saniert werden. Als einzige Oppositionsfraktion tragen die Grünen den Haushalt mit (Ausnahme: Mittel für den Flugplatz). Kritik kam von der Vorsitzenden Irmgard Münch-Weinmann jedoch: So erschwere die große Koalition eine „nachhaltige und zukunftsorientierte Entwicklung von Speyer“. Der Kommunalpolitik gehe die Lebendigkeit verloren, wenn etwa grüne Anträge ignoriert oder ins Lächerliche gezogen würden. Die Sprecherin bezog sich auf Initiativen zum Radverkehr, zur Arbeitsintegration oder zur Randzeiten-Betreuung in Kitas. „In Speyer kommt die Sozialpolitik zu kurz“, folgerte sie. Die Grünen wollten mit Initiativen zu sozialer Gerechtigkeit, Integration, Ehrenamt sowie Umweltschutz Akzente setzen. Beispiele: Der Marktplatz könnte zum Begegnungsraum statt Parkplatz, der Vorplatz des Doms nördlich der Kathedrale teilweise entsiegelt werden. Die Grünen wollen den S-Bahn-Haltepunkt Süd, aber ohne Parkplätze und Baumfällungen auf einem großen Teil der Bahnsteiglänge. Sie fordern „mehr sozialen Wohnungsbau mit möglichst geringer Nachverdichtung“. Münch-Weinmann forderte von der Sparkasse Vorderpfalz Aufklärung wegen eines umstrittenen Organkredits und höhere Ausschüttungen an die Stadt. Im Haushalt müssten künftig mehr Vergleichswerte angegeben werden. Obwohl es beim Speyerer Haushalt mit Fehlbeträgen und zunehmender Verschuldung ein „Weiter so“ nicht geben könne, sei der Entwurf für 2016 nach dem gleichen Muster wie bisher gestrickt, so Sandra Selg. „Ein Muster, das zu Lasten unserer zukünftigen Generationen geht.“ Die Stadt müsse mit einem „strategischen Haushaltsmanagement“ und einem Haushaltssicherungskonzept entgegensteuern. Vom OB erwarte sie angesichts von rund 200 Millionen Euro Schulden „mehr als Fatalismus und Alternativlosigkeit“. Sie nannte Sparmöglichkeiten: Der S-Bahn-Halt Süd sei „gerade in der Verantwortung für künftige Generationen“ nicht bezahlbar, sein Nutzen ohnehin unklar. Für eine Verbesserung des Radverkehrs gebe es zu viele Konzepte, aber zu wenige konkrete Schritte. Die Kosten des Fahrradleihsystems Nextbike seien nicht über Ausleihzahlen gerechtfertigt. Zudem würden jährlich 90.000 Euro für die kaum genutzte Buslinie zum Cura-Center verschwendet. Selg regte an, diese abzuschaffen und dafür die Linie 561 zwischen Uni und Bahnhof in ihrem Takt zu verdichten. „Dann erübrigt sich auch die Einrichtung des S-Bahn-Haltepunktes.“ Die Stadt leiste sich „Lebenslust zulasten der nachfolgenden Generationen“, kritisierte Claus Ableiter für die Bürgergemeinschaft. Der Flugplatz sei umweltschädlich und fahre Verluste ein, er solle geschlossen und am besten in Gewerbefläche umgewandelt werden, um die Einnahmen zu erhöhen. Zum „unverantwortlichen Umgang mit Geld“ im Rathaus gehörten auch die vielen Gutachten, die die Verwaltung einhole, sowie Pflasterungen in der Großen Himmelsgasse. Wichtig seien hingegen der Neubau des Haltepunkts Süd und Verbesserungen in Speyer-Nord: etwa der Bau einer Ergänzungswache für die Feuerwehr und Reparaturen an der Skaterbahn. Lediglich dem Sozialhaushalt stimmte Ableiter „als Zeichen“ zu – „auch wenn durchaus noch mehr für die Jugend getan werden könnte“. Kürzungen von Sozialleistungen dürfe es nicht geben, deshalb müsse die Einnahmensituation der Kommunen gestärkt werden, so Wolfgang Förster. Er forderte eine „umfassende Gemeindefinanzreform“. Vom OB habe er diesbezüglich „mit Ausnahme der Erhöhung der Hebesätze keine weiteren Aussagen“ gehört. Eine Kommune müsse ihren Schwächsten helfen und eine gute Infrastruktur zur Verfügung stellen. Aber: „Der Investitionsstau ist mehr als deutlich in der ganzen Stadt zu sehen.“ Das reiche vom holprigen Fahrradweg bis zur klapprigen Schulbank. Er forderte eine Wirtschaftsförderung, die ein besonderes Augenmerk auf kleine und mittelständische Betriebe legt und nicht auf „leichtfertige Ansiedlungspolitik“. Die Stadt-Mitarbeiter leisteten viel, obwohl Personalknappheit bestehe. Förster kritisierte die Ausgliederung von Leistungen wie Kinderaltstadtfest. Generell gelte: „Ob Haltepunkt Süd, Ansiedlung eines Lebensmittelmarktes oder die Erweiterung von Kinderbetreuungsangeboten: Ohne Moos nix los.“ Etliche Baustellen für die Stadt führte Dennis Peterhans an. Die Haushaltsdefizite seien zu hoch, einige Schwerpunkte falsch gesetzt. Er nannte als Beispiel den geplanten Bahnhaltepunkt Süd („abenteuerlicher Weg der Kosten“) sowie die Tourismusabgabe („Abzocke“). Stoppen müsse die Stadt außerdem die „Gutachteritis“ mit Aufträgen an Externe. Er erkenne keinen Willen zum Sparen, sondern nur ein „Weiter so“, so Peterhans. „Gerade der Eintritt der SPD in die Regierungskoalition hätte nach deren langjähriger Kritik anderes erwarten lassen“, betonte er. Das Umland müsse für die Finanzierung der Speyerer Gymnasien in die Pflicht genommen werden. Peterhans forderte mehr Mittel für den Kita-Ausbau. Die FDP werde den Fokus zudem auf die Wirtschaftsförderung und Ansiedlung von Gewerbe legen: Chancen dafür gebe es auf dem Polygon-Gelände und in der Kurpfalzkaserne. Peterhans kritisierte fehlende Erläuterungen im Haushalt. Ratsmitglied Reinhard Mohler ging insbesondere mit Oberbürgermeister Eger hart ins Gericht. „Für die Stadt Speyer fehlt mehr denn je ein dringlich erforderliches gesamtstrategisches Konzept in vielen Bereichen“, sagte er. Er erinnerte an seine Forderung nach einem Gestaltungs- und Planungsbeirat. Die Ausgaben für das Stadtmarketing seien ebenso überflüssig wie Planungskosten für den Bahnhaltepunkt Süd ohne Kosten-Nutzen-Analyse und manche zusätzliche Stelle in der Verwaltung. Deren Personalbestand sei inzwischen „aufgebläht“, eine Kostensteigerung von 62 Prozent seit 2000 nicht mit steigender Effizienz begründet. Mohler forderte höhere Investitionen in die Infrastruktur sowie Verbesserungen bei der Pflege öffentlicher Anlagen. Der fehlende Wohnraum werde mit der aktuellen „baulichen Flickschusterei“ nicht geschaffen. Lob gab es für die Akzente im Sozialhaushalt. (pse)

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