Speyer Große Koalition für Arbeitsplätze

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„Wenn ein Vorgang dieses Jahr prägte, dann war es der Kampf um die Rettung der Arbeitsplätze bei VFW. Nicht nur etwa des Ereignisses wegen, sondern vor allem ob der Vielfalt der Bemühungen, trotz allem Hin und Her über die Parteigrenzen hinweg.“ So ist in einem Kommentar der RHEINPFALZ am 31. Dezember 1976 zu lesen. Er gilt einem ereignisreichen Jahr, das über die hartnäckigen Bemühungen um die „Vereinigten Flugzeugwerke“, Vorgänger der heutigen Firma PFW Aerospace, hinaus unter anderem von Unglücksfällen gekennzeichnet ist.

Zu Jahresbeginn sieht es für VFW düster aus. Im Bundeskabinett wird der sogenannte Grüner-Bericht beschlossen, der langfristig ein Ausscheiden des Speyerer Werkes aus der Wehrtechnik vorsieht. Die Befürchtung: 1000 Mitarbeiter könnten Brot und Arbeit verlieren. Die Geschäftsführung kündigt für das Jahr 1976 zwischen 850 und 900 Entlassungen an und bestätigt damit eine Nachricht, die sich schon im Dezember 1975 verbreitet und zu einer Demonstration von 5000 Bürgern geführt hat. Gegen die Pläne formiert sich starker Widerstand. Am 23. Januar legen die Beschäftigten für sechs Stunden die Arbeit nieder. Kirchen, Parteien und Gewerkschaften gründen eine Initiative. Ministerpräsident Helmut Kohl kommt nach Speyer und kündigt an, sich gemeinsam mit seinen Amtskollegen in Bremen und Niedersachsen für den Erhalt des Speyerer Werkes einzusetzen. Hilfe verspricht auch SPD-Fraktionschef Herbert Wehner in der Stadthalle. Am 8. April treten rund 4000 Speyerer bei einer Großkundgebung auf dem Königsplatz für den Erhalt von VFW ein. Die Stadt hat damals gut 44.400 Einwohner. Am Ende wird ein Konzept bekannt, das zwar Arbeitsplätze kosten, aber auch über 900 sichern soll. Die schlimmste Gefahr scheint einstweilen gebannt. 1976 tut sich viel auf dem Bausektor. „Sanierung heißt das in Speyer mit einiger Verzögerung aufgegriffene Zauberwort“, schreibt unsere Zeitung. Großflächig wie auf dem Fischmarkt oder am Objekt wie beim Feuerbachhaus und der Alten Münze. Das eine oder andere Vorhaben scheitert auch. So beschließt die Kreis- und Stadtsparkasse, von ihrem an der Schrannengasse geplanten Neubauprojekt Abstand zu nehmen und ihren Hauptsitz stattdessen auf das Gelände der Villa Ecarius zu verlegen – was wiederum einen Kampf für deren Erhalt in den Blickpunkt rückt. Größte Überraschung in der Kommunalpolitik: Die CDU nominiert als Kandidaten für das Bürgermeisteramt und Nachfolger von Carl Heinz Jossé den Bonner Bernhard Wimmer. Favorisiert worden waren bis zuletzt die Beigeordneten Claus Kiefer (Römerberg) und Hans-Henning Grünwald (Speyer). Unerwartet auch die große Mehrheit für den Bewerber: Wimmer erhält 36 der 43 Stimmen, einen beträchtlichen Teil also auch von der SPD. Er wird Speyer aber nach drei Jahren schon wieder verlassen. Die Binsfeld-Affäre fordert ein prominentes Opfer: Bürgermeister Jossé wird der Zuständigkeit für das Wochenendhausgebiet enthoben. Zuvor hatte ein Untersuchungsbericht der Stadtverwaltung festgestellt, der Bebauungsplan im Binsfeld sei „nicht in allen Fällen beachtet worden“. Zu Grab getragen wird einer der Großen der pfälzischen Politik: Franz Bögler, ehemals Oberregierungspräsident. Schwere Unfälle erschüttern die Speyerer. Sechs Menschen sterben bei einem Frontalzusammenstoß auf der noch jungen Umgehungsstraße. SPD-Fraktionsvorsitzender Alfons Sassin verunglückt auf der Autobahn tödlich. Ebenfalls auf der Autobahn stirbt ein 16-jähriges türkisches Mädchen, das zu einem Brieffreund trampen will und von einem Auto erfasst wird. Schließlich sorgt eine Bluttat für Entsetzen. Eine 75-jährige Frau wird von zwei jungen Männern mit einer Flasche niedergeschlagen und dann erwürgt. Aufgeklärt wird der Fall durch einen Tipp an die Polizei. Zuvor war noch ein natürlicher Tod der herzkranken Frau konstatiert worden. Geschmunzelt werden darf beim Bericht über einen Kripobeamten, der sich zwecks Verfolgung eines schnellfüßigen Tunichtgutes das Fahrrad eines Mädchens ausleihen will, was diesem Furcht einjagt und seinen Vater zu einer Anzeige veranlasst. Im Artikel „Hilfspolizei hinterm Vorhang“ wird publik, dass in der Zeppelinstraße eine Anwohnerin seit Jahren und im Einvernehmen mit der Polizei Park- und Verkehrssünder notiert. Sie bringt es auf 1055 Anzeigen. 204 davon seien aber abgelehnt worden.

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