Speyer freistoss:

„Wir zieh’n durch die Straßen und die Clubs dieser Stadt. Das ist unsre Nacht, wie für uns beide gemacht, oho, oho“, singt Schlagerstar Helene Fischer. Wir dagegen zieh’n über die Fußballfelder der Region und stranden mal wieder beim FV Dudenhofen: Verbandsligaauftakt gegen FSV Offenbach. Die traditionelle Musik aus dem Häuschen im Südwesten des Geländes an der Iggelheimer Straße kommt zur neuen Saison noch lauter und vor allem rockiger daher. Haben die Hits von der Alm und deutsches Schlagerliedgut ausgedient? „Des hen die gemacht“, sagt Gerd Fischer, Sportlicher Leiter der Dudenhofener und eigentlich für die Musi zuständig, fast verächtlich und deutet mit dem Kopf auf die Verbandsligakicker, die sich vor dem Spiel gegen Offenbach gerade warmmachen. Und Spielleiter Fischer heckt einen Plan aus, oho, oho: „Ich habe schon Beschwerden bekommen. In der Halbzeit lege ich meine Musik auf, und meine Tochter Nadine.“ Nadine ist zwar keine Berufssängerin, aber hat’s einfach mal probiert. Die dunkelhaarige Lockige mit den großen Ohrringen (oho, oho) ging ins Tonstudio. Nun jubeln ihr die Massen zu Tausenden zu, weil sie Stimmung macht, ob zuletzt an zwei Tagen beim Speyerer Siedlerfest oder beim Fischerfest in Ludwigshafen-Oggersheim. Nadine ist für Weinfeste gebucht, auch für das kommende Jahr. Ein Junge im Deutschland-Trikot betritt das Gelände, mit drei Sternen auf der Brust, obwohl doch seine Lieblinge nach dem Triumph von Brasilien vier tragen. Einer im Bayern-München-Trikot darf darf nicht fehlen (oho, oho). Die FV-Ersatzbank besteht aus Plastikstühlen mit Polstern. Halbzeit, 1:0 für die Dudenhofener. Funktionär Fischer setzt sein Vorhaben um. Helene Fischers „Atemlos“ dröhnt durch die Boxen – falsch, es ist Nadine. Die älteren Herren singen mit, ob blonde oder dunkle Haare – grad egal. Mädchen sind’s diesmal (oho, oho), die in Form eines kleinen Fußballs als Kasse um eine Spende für die Jugend bitten und ihr Rechteck drehen. Kein Wunder, der weibliche Dudenhofener Nachwuchs ist sehr erfolgreich. Die Girls (oho, oho) machen sich mit zwei Spardosen auf den Weg, klappern aber dennoch keinen Zuschauer zweimal ab. Die Erwachsenen ziehen einen Schoppen vor. Den gibt’s im Glas des Dörrenbacher Weinfestes. Die ganz besondere Lautsprecher-Durchsage, Spielleiter Fischer: „Wir bitten den Platzwart, die Flutlichtanlage anzumachen, bitte das Flutlicht anmachen.“ Es geschieht. Offenbach gleich noch aus. Ganz langsam ebbt sie doch ab, die Freude am Fußballweltmeisterschafts-Triumph der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien, dennoch: Die Bebelstraße im Speyerer Westen, ein kleiner Kringel, aber doch eine Bastion mit zwei Deutschlandfahnen: eine hängt aus dem Fenster, eine posiert vor einer Haustür. Auch im Erlich der Domstadt flattert noch eine in der Luft, noch eine in der Friedrich-Ebert-Straße, auch eine in der Großen Gailergasse. Schwarz-Rot-Gold schmückt Autos auf dem Parkplatz in der Dudenhofer Straße, vor der Gedächtniskirche vor dem Supermarkt, am Postplatz, in der Speyerer Straße in Dudenhofen, an einem Transporter vor der Feuerwehr im Spargeldorf, wenn auch aus einem aus Speyer. Noch mal biegt ein ähnliches mit Rhein-Pfalz-Kreis-Kennzeichen aus der Oberen Langgasse in die Dudenhofer Straße ein. Und auch die Neustadter Kollegen berichten Ähnliches. Allgegenwärtig ist natürlich auch WM-Star Thomas Müller, der in einer Supermarktkette wirbt. Derweil bereitet sich die nächste Generation in der Dudenhofer Straße in der Domstadt auf kommende Triumphe vor. Die Oma hockt auf dem Mäuerchen im Schatten, Brille auf, Hände im Schoß und beobachtet, was die Enkel so treiben. Aus dem Hausdurchgang dröhnen Fußballgeräusche. Kinder juchzen. Die Oma lacht und kommentiert. Aus dem Hof erklingen die Fußballerschritte der Stars von morgen. Auch in der Bebelstraße steht plötzlich ein Tor im Vorgarten.

x