Speyer „Fischrettung sinnlos“

Die beiden Blöcke des Kernkraftwerks Philippsburg gingen 1979 und 1984 ans Netz. Aus dieser Zeit stammen auch die Kühlsysteme – und dazugehörige Schutzeinrichtungen für die Fische des Rheins. Nach dreißig Jahren wurden jetzt zu Jahresanfang die ursprüngliche wasserrechtliche Ausnahmeregeln erneuert. Einer elektrisch betriebenen Fischscheuche werde bescheinigt, „eine signifikante Schädigung der Fische zu vermeiden“, sagt der Betreiber Energie Baden-Württemberg (EBW). Dem widersprechen aber Umweltschützer.

Von zwei Kühltürmen ist seit Stilllegung von Block 1 im Zuge der Energiewende nur noch der Turm des Kraftwerks im Block 2 in Betrieb. Dennoch hatte die EBW die Entnahme von 65.000 Liter Rheinwasser je Sekunde neu beantragt. Die Ansaugstelle befindet sich südlich des Kraftwerksareals, wo es große Einlasstore für den Kühlwasserstrom gibt – pro Stunde strömen 3900 Kubikmeter Wasser hindurch. Tafeln am Einlassbereich weisen auf die Gefahren der elektrisch betriebenen „Fischsperre“ hin. Von Elektroden im Wasser ausgesandte elektrische Impulse sollen Fische fernhalten, vergleichbar dem „Stromschlag“ am Weidezaun. Fische werden „bei Kontakt“ von Strom durchflutet. Die Anlage in Philippsburg sei „in gutem technischen Zustand“, sagt der Sprecher der EBW in Karlsruhe. Allerdings entspricht sie nicht mehr dem Stand der Technik. Das geht aus einem Aktenvermerk des Landratsamtes Karlsruhe vom 20. März 2012 hervor: „Das alleinige Konzept des Elektro-Scheuchens ist nach bisherigen Ergebnissen eindeutig nicht zielführend und nicht ausreichend“. Trotz dieser offensichtlichen Bedenken hat das Landratsamt im Oktober dem Antrag der EBW auf Wasserentnahme stattgegeben. Den Karlsruher Umweltaktivisten Harry Block versetzte das in Rage. Der frühere Stadtrat ist Vorstandsmitglied des Bundes für Umwelt und Naturschutz, er legte Widerspruch ein. Formal geht es bei der „Ausnahmegenehmigung“ um eine Aufhebung des „Tötungsverbots“, laut Bundesnaturschutzgesetz. Tatsächlich vermindert die Scheuchanlage allenfalls das Risiko, in den Kühlwasserzustrom zu gelangen: Dort sieht es fürs Überleben der Fische dann eher schlecht aus. Fische, die kleiner sind als zehn Zentimeter, werden durch eine „Bandmaschine“ auf dem Kraftwerksareal rausgefischt. Block sagt, dass 50 Prozent der Fische, die dort gerettet würden, beim Übersetzen in die Kühlwasserrückführung verenden. Der Auslasskanal westlich des Kraftwerks erreiche Temperaturen von bis zu 33 Grad Celsius, was gerade im Winter an der dampfenden Wasseroberfläche sichtbar ist. Die Fische können die Temperaturunterschiede von bis zu zehn Grad schlecht verkraften. Aus Sicht des Umweltaktivisten „ist die Fischrettung sinnlos“. Eine gutachterliche Aussage, die dieser Zeitung vorliegt, sagt: „Bei den im Auslasskanal wieder zurückgeführten Fischen liegt die Überlebensrate nach fünf Tagen bei 42 Prozent.“ Durch „immensen Sog“ würde schon bei Kühlwasseransaugung an der Südseite des Kraftwerksareals eine Vielzahl geschützter Fische wie Aal und Neunauge getötet, sagt Block. Das sei auch bei der Anhörung im Landratsamt klar geworden. Logische Folge wäre „eine zwingende Nachrüstung“. Dennoch wurde kurz vor Weihnachten sein Widerspruch zurückgewiesen, und der sofortige Vollzug mit Inkrafttreten der Ausnahmeregel angeordnet. Das Landratsamt Karlsruhe teilt auf Anfrage mit, ein Umbau und die Optimierung der Fischscheuchanlage wäre „zeit- und kostenaufwendig“. Die EnBW habe in den Antragsunterlagen vergangenes Jahr dargestellt, dass eine komplett neue Anlage „erst zur Stilllegung von Block 2 Ende des Jahres 2019 fertiggestellt wäre“. (sj)

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