Speyer Eiserner Kanzler bettet sich auf Speyerer Daunen

„Eiserner Kanzler“ nennt die Geschichtsschreibung Otto Fürst von Bismarck. Dass sich sein Geburtstag morgen zum 200. Mal jährt, beschäftigt Politik und Medien seit Tagen. Es darf also daran erinnert werden: Der preußische Abgeordnete, Gesandte und Ministerpräsident war eine der vielen politischen Größen, die Speyer im Laufe der Jahrhunderte besucht haben.

Bismarck kam 40-jährig am 20. September 1855 im Gefolge des Preußen-Königs Friedrich Wilhelm IV. und dessen Gemahlin Elisabeth Ludovica und nächtigte wie der General Helmuth von Moltke sowie weitere Delegationsmitglieder im Anwesen Ludwigstraße 6. Darin befindet sich heute die „Residenz am Königsplatz“. Das Besitzer-Ehepaar Renate Seitz-Twelker und Jochen Twelker ist an der Historie seines Hauses interessiert und will dort eine Büste des bekannten Besuchers aufstellen; einen Band über das Bismarck-Museum in Berlin haben sie schon. Jochen Twelker gab auf Anfrage Einblick in die Geschichte des Hotels, vielen Speyerern noch als „Evangelisches Hospiz“ bekannt. In dem Bismarck betreffenden Chronik-Auszug heißt es: „Ihre Majestäten, der König und die Königin von Preußen, werden am Donnerstag, den 20. September, abends gegen 6 Uhr in der Kreishauptstadt eintreffen, daselbst nachtlagern und am Freitag, den 21. nachmittags nach Saarbrücken weiterreisen. Eine Abordnung der Stadt wurde im ,Abstiegsquartier’ Wittelsbacher Hof empfangen.“ Vermerkt ist, dass das Herrschpaar „inkognito“ nach Speyer kam. Warum der Preußen-König mit Frau sowie Gefolge die damals bayerische Stadt besuchte, kann nur vermutet werden. In seiner Lebensbeschreibung heißt es: Wilhelm IV. galt als „Romantiker auf dem Thron, der von den Idealen des mittelalterlichen Heiligen Römischen Reiches inspiriert war“. Es ist daher möglich, dass er Speyer wegen des Kaiserdoms aufsuchte. Über ihn war der Kaiser wohl von Johannes Baptist Jacob von Geissel instruiert, von 1837 bis 1841 Bischof von Speyer und mit Friedrich Wilhelm IV. gut bekannt. In der Twelkerschen Hauschronik vermerkt ist, dass das um 1400 zum ersten Mal erwähnte Anwesen Ludwigstraße 6 zur Zeit der Bismarck′schen Übernachtung wohl dem Regierungsrat Friedrich von Neimanns gehörte. Als Hotel oder Herberge dürfte es nicht gedient haben, eher als reines Wohnhaus. In dessen Hof haben vor einigen Jahren Archäologen Reste eines frührömischen Kastells aus der Zeit um 50 nach Christus und Hinweise auf Zivilbebauung bis 275 nach Christus freigelegt. Die Stadt Speyer erhob den politisch umstrittenen, wegen der Einführung der Sozialversicherung bei der Arbeiterschaft aber angesehenen Otto von Bismarck 1895 an seinem 80. Geburtstag zu ihrem zehnten Ehrenbürger (21 sind es derzeit). Drei Jahre später starb er. Nach Bismarck ist eine Speyerer Straße benannt. Auf Anordnung der französischen Militärbehörde hieß sie ab 1946 Schnaudigelstraße. Weil sich der neue Name allerdings nicht durchsetzen konnte, wurde sie 1957 wieder umbenannt und ein Schnaudigelweg anderswo eingerichtet.

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