Speyer Dramatische Schlüsselmomente

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„Ich werde deutsch“: So heißt eine aktuelle Fotoausstellung des deutsch-iranischen Künstlers Maziar Moradi beim Ludwigshafener Kunstverein. Sie ist zweigeteilt in emotional und groß inszenierte Fotos, die fast wie Gemälde aussehen, und viele nüchterne kleine Fotos von Gebäuden, in denen Flüchtlinge untergebracht sind.

Die meist hochdramatischen Szenen der Serie „Ich werde deutsch“, an der Moradi seit acht Jahren arbeitet, streben nach Authentizität im Sinne von Wahrheitsfindung. Das ist kein dokumentarisches Anliegen, sondern ein ästhetisches. Am Anfang stand der persönliche Erfahrungshorizont. Moradi lebt in Berlin. Im Alter von elf Jahren kam er während des Iran-Irak-Krieges mit Mutter und jüngerem Bruder nach Hamburg. „Migration war nicht meine Entscheidung“, sagt er. Er kam gleich in eine rein deutsche Schulklasse, lernte in kürzester Zeit Deutsch, wurde ohne nennenswerte Hindernisse zu einem Deutschen. Er begann, über diesen Prozess nachzudenken. „Ich mache viele Interviews, um die Leute richtig gut kennenzulernen“, erklärt er. Aus den Geschichten, die sie ihm erzählen, filtert er heraus, was er den „Schlüsselmoment“ nennt. Diesen inszeniert er an einem ausgewählten Ort mit zusammengetragenen Requisiten, wobei die Protagonisten sich selbst spielen. Eigentlich soll der Betrachter eine Erzählung aus dem Bild heraus- oder in dieses hineinlesen, aber weil die Menschen nach verbaler Authentizität verlangen, hat Moradi eine kleine Sammlung von Interviewtexten herausgegeben. Die Anmutung der Bilder ist wirkmächtig: düster oder heiter, bisweilen ambivalent, dramatisch oder meditativ, oft tiefenpsychologisch geheimnisvoll. Am meisten fällt wohl die kolportagehafte Szene ins Auge, in der einer bäuchlings am Boden von einem Polizisten dingfest gemacht wird, während ein anderer in hohem Sprung über eine Mauer entkommt. Ausstellung Zu sehen beim Ludwigshafener Kunstverein (Bismarckstraße 44-48) noch bis zum 26. Juni, dienstags bis freitags, 12 bis 18 Uhr, samstags und sonntags, 11 bis 18 Uhr

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