Speyer Brahms und Bescheidenheit

„Ich will nicht ganz vorne stehen, ich will lieber helfen und unterstützen.“ Das sagt Emi Ogino von sich selbst. An der Würzburger Musikhochschule bereitet die Japanerin als Korrepetitorin die Studenten auf ihre Examen vor und begleitet sie beim Vorspiel am Klavier. „Mein Traumjob“, schwärmt sie.

An der Städtischen Musikschule Speyer unterrichtet die 44-jährige Pianistin, die seit 1993 in Deutschland lebt, an zwei Tagen pro Woche inzwischen nicht mehr ganz so viele Schüler. Früher seien es 23 gewesen, heute nur noch rund ein Dutzend im Alter von sieben bis 17 Jahren. Für die ehrgeizigen sei sie gerne weiter da, unterstreicht Ogino. Diese Feststellung klingt überhaupt nicht arrogant, sondern schlicht und sachlich. Überhaupt gibt sich die Japanerin sehr bescheiden – besonders, wenn sie von sich selbst spricht. Die unweit von Fukushima, in Sendai, geborene Musikerin sitzt seit 2009 in der Jury des Landeswettbewerbs „Jugend musiziert“ in Baden-Württemberg und hat schon einige ihrer Schüler erfolgreich darauf vorbereitet. Sie selbst hat im Alter von drei Jahren mit dem Klavierspiel angefangen. Das sei in Japan nichts Ungewöhnliches, sagt sie und erzählt, dass ihre Schwester, die in Kaiserslautern lebt, im selben Alter mit der Violine begonnen habe. „Mit Geige und Klavier muss man so früh wie möglich anfangen“, ist ihre Überzeugung. Der Vater war Arzt, die Mutter hatte Gesang studiert und war als Gymnasiallehrerin tätig. Sehr viel geübt habe sie anfangs nicht, bekennt Ogino. Nur täglich rund eine Stunde, nachmittags nach der Schule. Dann habe sie spielen gehen dürfen. Doch ihre Begabung wurde schnell erkannt. Mit acht Jahren bekam sie zusätzlichen Unterricht von einem deutschen Lehrer, mit elf besuchte Emi Ogino zum ersten Mal Europa, absolvierte in Wien einen Sommer-Meisterkurs, studierte dann in Tokio und Würzburg. Dass sie professionelle Musikerin werden wollte, habe sie schon früh gewusst, erinnert sich Ogino. Doch habe sie nie eine Karriere als Solistin angestrebt. Die Konkurrenz in ihrem Heimatland sei sehr groß. So sei es auch sehr schwer, eine Festanstellung an einer der über 100 meist privaten Musikhochschulen zu bekommen: „Viele studieren in Japan Klavier.“ So habe sie sich zum Ziel gesetzt, Klavierlehrerin zu werden. Sie unterrichte schon immer gerne, habe bereits in Japan gemeinsam mit ihrer Mutter Klavierschüler betreut. Die Frau, die Brahms und Kammermusik liebt, ist in Würzburg als Korrepetitorin auf die Blechbläser spezialisiert. „Die Stücke für Blech sind sehr modern, da gibt es nur wenige klassische Stücke“, erzählt Ogino. Und erinnert sich mit komischer Verzweiflung, mit einem Mal sehr lebhaft, an eine ihrer größten musikalischen Herausforderungen: Mit einem Tubisten zusammen sollte sie eine Sonate von Paul Hindemith einstudieren. Dann ahmt sie den tiefen langen Ton der Tuba nach und erklärt: „Und ich musste am Klavier die ganze Zeit Sechzehntel spielen, sehr böse.“ Zudem sei das Stück „total durcheinander und nicht melodisch“ gewesen. Als Korrepetitorin müsse man gut vom Blatt lesen können und viel Geduld mitbringen, so Ogino. Bei der Prüfung müsse sie sehr einfühlsam sein und etwa bei einem falschen Einsatz „rechtzeitig gut reagieren, bevor der Professor es merkt, das ist sehr spannend“, sagt sie. „Aber sowas mach’ ich ja gerne, da bin ich der Typ.“ An der Musikhochschule sei sie häufig öffentlich mit den Studenten zu hören. Ansonsten bleibe für Konzerte nicht viel Zeit, räumt sie ein. „Zuhause brauch’ ich meine Ruhe“, antwortet die Pianistin auf die Frage, ob sie nach der Arbeit für sich alleine musiziere. „Ich kann keine Klaviermusik laufen lassen, da kann ich mich nicht entspannen, denn da muss ich mich immer so konzentrieren.“ Zumal: Für ihren Steinway-Flügel hat sie in ihrer Wohnung keinen Platz. Er stehe jetzt als Dauerleihgabe bei der jüdischen Gemeinde in Speyer.

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