Speyer Auf tönenden Spuren

An der Orgel der Gedächtniskirche: Christoph Keggenhoff.
An der Orgel der Gedächtniskirche: Christoph Keggenhoff.

Auch der neunte Speyerer Orgelspaziergang am Sonntag brachte wieder etliche hundert Menschen auf die Beine – und 4876 Euro Spendenerlös zugunsten der Chororgel der Gedächtniskirche.

Er ist ein Selbstläufer im doppelten Wortsinne und man staunt jedes Jahr aufs Neue: Der Speyerer Orgelspaziergang erfreut sich ungebrochener Sogkraft. Er hat auch am Sonntag bei kühlten Temperaturen wieder regelrechte Heerscharen in Bewegung gesetzt und für volle Kirchen gesorgt. Der veranstaltende Speyerer Kantorenkonvent kann sich rundweg bestätigt fühlen. Die mehrheitlich prächtigen Instrumente, brillante Interpreten und pfiffige Kurzprogramme – das ist eine probate Mixtur, die Menschen begeistert. Und die obendrein garniert ist mit kleinen, illustren Fußmärschen durch die Altstadt. Am Startpunkt Gedächtniskirche nahm Christoph Keggenhoff, Zweiter Domorganist, auf der Orgelbank Platz. Er hatte – so möchte man es deuten – eine Art Aufwärmprogramm vorbereitet. Ein frisch unbekümmertes A-Dur-Allegro von Justus Heinrich Knecht, gefolgt von Georg Muffats Ciacona, zwei Stücken von Johann Christian Heinrich Rinck aus der Zeit um 1800 und danach sowie einem Beethoven’schen Adagio für Flötenuhr. Auch der „Grand choeur dialoge“ des Spätromantikers Eugéne Gigout passte vorzüglich in diese Folge. In St. Joseph hatte der dort verantwortliche Kirchenmusiker Stephan Rahn die intime d-Moll-Triosonate von Bach effekt- und kontrastreich zwischen zwei ausladende Kompositionen des Thomaskantors gepackt, die Fantasia super „Komm, Heiliger Geist“ und die Bearbeitung der Fantasia aus der Ratswahl-Kantate BWV 29. Und stellte mit pianistisch höchst virtuosem Zugriff nicht zuletzt die Triosonate plastisch, transparent und sinnlich dar. Kirchenmusikdirektor Robert Sattelberger, der am Spieltisch der bekanntlich maroden Orgel der Dreifaltigkeitskirche auch ein wenig zaubern musste, knüpfte den kompositorischen Strang weiter und entfaltete mit der eloquenten Interpretation der Bach’schen Adaption eines Vivaldi-Concertos italienisches Barock-Flair. Der schon erwähnte Johann Christian Heinrich Rinck komponierte für Orgel zu einer Zeit, als das Instrument nahezu völlig aus dem Blick seiner Epoche verschwindet. Das Konzert F-Dur, in der Manier eines klassischen Solokonzerts für Flöte und Orchester geschrieben, gibt reichlich Raum für spannende Dialoge und filigrane solistische Singerübungen. Sattelberger leuchtete das alles vielfarbig und hochspannend, mit immer neuen geistreichen Apercus aus, kultivierte die Kunst des feinsinnigen Kontrasts. Last but not least hatte Domorganist Markus Eichenlaub für das Finale im Dom zwei wirkungsvolle Kompositionen ausgesucht. Bachs berühmte Chaconne aus der Violinpartita BWV 1004 hat unzählige Transkriptionen erfahren. Eichenlaub hatte sich für die Version des Reger-Schülers und langjährigen Organisten der Christuskirche Mannheim, Arno Landmann, entschieden. Er zelebrierte das zwischen verhaltener Innerlichkeit und klanglicher Opulenz durch alle Facetten musikalischer Emotion vagabundierende Opus mit ebenso eigenwilliger, wie frappant tiefengeschärften Farbgebung. Schlicht faszinierend. Und legte mit fünf der „Ave-Maris-Stella“-Variationen von Pierre Cochereau quasi noch eine Schippe oben auf (acht weitere hatte der Domorganist fünf Tage zuvor gespielt, wir berichteten am Freitag). Diese Improvisationen sind lediglich in der auf einem Konzertmitschnitt beruhenden Transkription verfügbar. Und waren wieder ein spieltechnischer Parforce-Ritt, dessen klangliche Dimension sich mit der Ankopplung der Chororgel raumgreifend steigerte – und die in Eichenlaubs kongenialer Interpretation den brillanten Zyklus kleiner Orgelkonzerte wie eine fulminante Fermate vergoldete.

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