Speyer Auf der Theaterbühne in Speyer: Winnetou

Pierre Brice als Winnetou (links), Häuptling der Apachen, und Lex Barker als Old Shatterhand in einer Szene der Karl-May-Verfilm
Pierre Brice als Winnetou (links), Häuptling der Apachen, und Lex Barker als Old Shatterhand in einer Szene der Karl-May-Verfilmung "Winnetou und Old Shatterhand im Tal der Toten" (einer der späten Winnetou-Filme der 1960er-Jahre): das in Speyer gespielte Theaterstück hieß "Winnetou und Old Shatterhand im Tal des Todes", hatte aber mit der Handlung des Films nicht zu tun."

Winnetou in Speyer? Das gab es im Dezember 1982, als dort die aufwendig gestaltete Tourneeproduktion „Winnetou und Old Shatterhand im Tal des Todes“ Station machte.

Noch vor einem halben Jahrhundert gehörten sie in vielen Fällen zur „Standardausrüstung“ deutscher Bücherregale: die dunkelgrünen Bände des Bamberger Karl-May-Verlags mit den Romanen und anderen Texten des Schriftstellers aus Sachsen. Da dieser auch komponierte, gibt es auch in analoger Aufmachung eine Schallplatte mit Liedern von ihm, von niemand Geringerem dirigiert als Helmuth Rilling.

An den höheren Lehranstalten galt freilich die Lektüre der Bücher von Karl May ehedem wenig. Angesichts der aktuellen Pisa-Ergebnisse wären heute Lehrerinnen und Lehrerinnen gewiss dankbar für Karl-May-Romane unter der Bettdecke „verschlingende“ Schülerinnen und Schüler.

Allein, es geht an dieser Stelle nicht um Karl May als Literat, sondern um die Rezeption seiner Stoffe auf der Bühne und auf der Leinwand. Bekanntermaßen gehörten die deutschen Verfilmungen der Bücher von Karl May zu den größten cineastischen Erfolgen der Nachkriegszeit und haben bei der damals heranwachsenden Jugend ihre Spuren hinterlassen.

Bekanntermaßen ist aber auch der Bezug der Filmdrehbücher zu den Romanen nicht immer sehr eng. Es gibt Filme wie „Old Shatterhand“, zu denen es dann keine richtige literarische Vorlage mehr gibt.

Im Dezember 1982

Gleiches gilt auch für die Theaterfassungen von Karl-May-Romanen. Es gibt ja einige Open-Air-Festivals, die in jedem Sommer opulente Spektakel vor allem zu den Geschichten um Winnetou bringen. Eines der bekanntesten ist im holsteinischen Bad Segeberg vor einer imposanten Kalkbergkulisse, wo mit aufsehenerregenden Stunts und Effekten nicht gespart wird. Die gesprochenen Texte haben aber mit Karl Mays Büchern nurmehr wenig zu tun. Immerhin wirkte dort auch der Film-Winnetou Pierre Brice viele Jahre mit, gefolgt von Gojko Mitic, dem „Winnetou des Ostens“.

Mit den Karl-May-Festspielen in Bad Segeberg hat dann auch die „Winnetou“-Aufführung zu tun, die 1982 in Speyer zu sehen war. Die Hamburger „Tournee Mondon“ mit den von den Karl-May-Spielen Bad Segeberg erprobten Schauspielern Klaus-Hagen Latwesen (Winnetou) und Rudolf H. Herget (Old Shatterhand) tingelte ab 1977 mit mehreren Inszenierungen nach Karl May durch Stadthallen und Theater im deutschsprachigen Raum. Am Sonntagnachmittag, 12. Dezember 1982, gastierte das Ensemble mit dem Stück „Winnetou und Old Shatterhand im Tal des Todes“ auch in der Stadthalle Speyer.

Nach Winnetou I

Das Stück, das in Speyer aufgeführt wurde, erinnerte damit an den Karl-May-Film mit Pierre Brice und Lex Barker von 1968 („Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten“), orientierte sich jedoch an Karl Mays erstem Winnetou-Band, wobei sich in der Fassung von Henry Tonder (ein Pseudonym des Autorenteams, das aus den beiden Tournee-Unternehmern Klaus-Hagen Latwesen und Rudolf H. Herget bestand) auch Handlungselemente aus anderen Romanen des Schriftstellers wiederfanden, darunter Winnetous Tod.

Mit dem Stück war die „Tournee Mondon“ bereits 1977 und 1978 durch Deutschland getourt, damals noch unter dem Titel „Winnetou“. Bei der 1982er-Aufführung hatte sich im Vergleich zu den früheren Tourneen fast die gesamte Besetzung geändert. Latwesen und Herget verkörperten wie damals Winnetou und Old Shatterhand, neu waren aber unter anderem „Santer“ Christian Koch, „Sam Hawkens“ Raymond Joob, „Nscho-tschi“ und „Lili“ Karin Kiurina und „Tangua“ und „Ingenieur White“ Manfred Schermutzki.

Tournee-Co-Chef Klaus-Hagen Latwesen war 1981 Intendant der Karl-May-Spiele Bad Segeberg geworden. Von dort, wo im Sommer 1982 dasselbe Stück auf der Freilichtbühne am Kalkberg gezeigt worden war, nahm Latwesen die Kollegen Edgar Maschmann und Fred Braeutigam mit – Maschmann als Winnetous Vater Intschu-tschuna und als Büchsenmacher Henry, Bräutigam als Eisenbahnarbeiter Brown, als weißer Lehrmeister der Apachen, Klekih-petra, und als Blitzmesser.

Plakat aus dem Stadtarchiv Speyer

An die Karl-May-Bühnengeschichte von Speyer erinnert das neue Buch aus dem Karl-May-Verlag Bamberg: „Karl May auf der Bühne III“. Es handelt sich um den dritten von vier Bänden der Buchreihe, mit der der Verlag seit 2021 die Geschichte der zahlreichen Theateraufführungen mit Karl Mays Traumwelten aufrollt. Die Autoren Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke zeigen im neu erschienenen Band auch das Ankündigungsplakat zu Winnetous 1982er-Stippvisite in Speyer, eine Archivalie, die das Stadtarchiv Speyer zur Verfügung stellte.

Der dritte Band von „Karl May auf der Bühne“ widmet sich auch anderen Karl-May-Inszenierungen, die in der Pfalz zu sehen war, aber auch solchen wie im Harzer Bergtheater Thale mit Stargast Gojko Mitic als Winnetou oder in Bischofswerda, wo seit 1993 Kinder und Jugendliche Karl Mays Abenteuergeschichten unter freiem Himmel aufführen.

Doch Mays zeitlose Helden sollten auch unabhängig vom Wetter ihr Publikum erreichen – in großen Hallen als Spektakel, aber auch in Theaterhäusern. Manch ein Produzent träumte davon, mit dem Apachenhäuptling auf Tournee zu gehen – Träume, die die Macher immer wieder vor Herausforderungen stellten. So ging die groß angelegte Winnetou-Tournee mit Pierre Brice 1982 pleite. Mit Widrigkeiten kämpfte auch die Gastspielproduktion eines Kieler Konzertunternehmens, das einen Großteil des Ensembles der Bad Segeberger Karl-May-Spiele 1984 zu Freilichtbühnen im deutschsprachigen Raum schickte.

Enorme Vielfalt

Zu den Theaterversionen der Stoffe von Karl May sagt Bernhard Schmid, der Karl-May-Verleger: „Karl May ist ein Phänomen und auf zahlreichen Bühnen nach wie vor ein Dauerbrenner. Mitzuerleben, wie Akteure unter freiem Himmel die Helden aus den Geschichten des erfolgreichsten deutschsprachigen Schriftstellers lebendig werden lassen, ist faszinierend und beeindruckend zugleich. Blicken wir in der May-Bühnenhistorie zurück, ist die Vielfalt der Inszenierungen und Spielorte enorm: Winnetou gab’s in der Wiener Stadthalle, auf der Waldbühne Berlin, der Felsenbühne Rathen und auch in der Stadthalle Castrop-Rauxel. Mit unserer Buchreihe, die bereits im gesamten deutschsprachigen Raum für Aufsehen sorgte, widmen wir uns einem wichtigen Kapitel deutscher, aber auch internationaler Theatergeschichte.“

Die Veröffentlichung des vierten und letzten Bandes der Buchreihe zu Winnetous Bühnenpräsenz ist für 2024 geplant.

Info

Weitere Infos unter www.karl-may-auf-der-buehne.de und www.karl-may.de.

Lesezeichen

Nicolas Finke und Reinhard Marheinecke: „Karl May auf der Bühne“, Band 3, Karl-May-Verlag Bamberg/Radebeul, August 2023, 400 Seiten, 59 Euro, ISBN 978-3-7802-0145-4.

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