Rhein-Pfalz Kreis Pfarrhaus als Zufluchtsort

Neuhofen

. Im Garten des protestantischen Pfarrhauses steht eine Schaukel, aus dem Haus dringt Kinderlachen. Doch es sind nicht die Pfarrerskinder, die hier spielen. Zwei junge Familien aus Ägypten sind im Juni eingezogen, mit zusammen drei Kindern zwischen zwei und sechs Jahren. Sie sind geflohen, weil sie in ihrem Land als presbyteriale Christen Unterdrückung, Diskriminierung und Gewalt durch radikale Muslime erlebt haben. Dass sie jetzt ausgerechnet in einem Pfarrhaus wohnen können, ist da fast ein Wink des Schicksals. Ein Schicksal, dem unter anderem Neuhofens Pfarrer Ralph Gölzer nachgeholfen hat. Im Januar ist er mit seiner Familie nach Speyer ins Pfarrhaus gezogen, wo seine Frau Pfarrerin ist. Die große Wohnung im Pfarrhaus im Kirchgässl war verwaist. Für seine Idee, diese für die Unterbringung von Asylsuchenden zu nutzen, habe er im Presbyterium Unterstützung gefunden, sagt Gölzer. Und bei der Kreisverwaltung erst recht. „Wir brauchen dringend Wohnraum. Wir haben bis Juni schon so viele Aufnahmen wie im ganzen letzten Jahr“, sagt die gerade aus dem Amt geschiedene Kreisbeigeordnete Rosemarie Patzelt. Dezentrale Unterbringung hat Vorrang, vor allem für Familien mit Kindern. Dass die beiden Familien nun im Pfarrhaus unterkommen, wo es auch noch Leute gibt, die sich kümmern, und Anschluss an die Gemeinde besteht, ist für sie ein großes Plus. Die Kreisverwaltung hat die Räume nun gemietet, rund 135 Quadratmeter sind es, sagt Gölzer. „Wir haben darauf geachtet, dass die Wohnung abgeschlossen ist gegen den laufenden Betrieb im Pfarramt“, sagt der Pfarrer. Und so sitzen sie zusammen, die beiden Ehepaare, und erzählen, was ihnen widerfahren ist in ihrer Heimat. Die Familien haben sich erst nach ihrer Flucht in Deutschland kennengelernt und haben sich angefreundet. Dazwischen wuseln der zweijährige Pieter und die ein Jahr ältere Joulia umher. Die Sechsjährige ist im Kindergarten - und hat schon recht gut Deutsch gelernt, erzählt Gölzer. Die Namen der Asylsuchenden sind alle geändert, aus Angst um Familienmitglieder, die zurückgeblieben sind. Einen Handyladen habe er besessen in Alexandria, erzählt der 38-jährige Gurg, und zwei Autos: „Damit war ich ein reicher Mann in unserem Land.“ Aber nicht angesehen. Schutzgeld habe er zahlen müssen. Seine Frau (30) habe nicht mit offenem Haar auf die Straße gehen dürfen, die Sechsjährige konnte nicht alleine zur christlichen Schule gehen, „zu gefährlich“. „Unter uns hat ein Salafist gewohnt, wir hatten immer Angst“, erzählt Gurg, übersetzt von Dolmetscherin Kenous Shammas. Sie und ihr Ehemann, Pastor Danial Danial, kümmern sich um die ägyptischen Christen im Raum Ludwigshafen und Frankfurt und kennen viele Geschichten wie diese. Nach der Revolution in Ägypten sei es schlimm geworden für die Christen dort, sagt Danial. Vorher war die Diskriminierung versteckt, jetzt sei sie offen ausgebrochen und münde in Übergriffen und Gewalt. Überfallen hätten sie ihn, ein mit einer Pistole bewaffneter Mann habe ihm seine Ersparnisse abgenommen, berichtet Gurg weiter. Bei der Polizei wurde seine Anzeige zerrissen, als klar gewesen sei, dass er Christ ist. Er solle den Täter doch töten, habe ein Polizist zu ihm gesagt. Das war für die Familie der letzte Auslöser zur Flucht. Ähnliches erzählt auch der 25-jährige Fadi aus El Minia (Oberägypten). Er habe einen Kleinbus besessen, ein Sammeltaxi. Muslime hätten sich geweigert, bei ihm einzusteigen, und schließlich sei sein Bus demoliert worden. Auch seine Anzeige wurde bei der Polizei ignoriert, sagt er. Seine Frau Marta war Erzieherin in einem christlichen Kindergarten. Die Kinder hätten sie immer zu Hause abholen und heimbringen müssen zu deren Schutz, erzählt die 26-Jährige: „Mit Steinen haben sie uns und die Kinder beworfen“. Mit klopfendem Herzen seien sie zur Kirche gegangen aus Angst. Nicht ohne Grund. In Gurgs Gemeinde in Alexandria sei die Kirche niedergebrannt worden. Was zunächst nach Alltagskriminalität aussehe, entpuppe sich als gezielte Übergriffe auf Christen, hat auch Pfarrer Gölzer erfahren. Themen, die durchaus auch in die Gemeindearbeit einfließen können, findet er. Jetzt wünschen sich die vier Erwachsenen am meisten, Deutsch zu lernen und Arbeit zu finden. Anspruch auf Deutschkurse haben sie nicht, sagt Patzelt, denn der Gesetzgeber gehe ja nicht davon aus, dass Asylsuchende bleiben. Die rechtliche Lage gehe an der Realität vorbei, meint dazu Heribert Werner, Leiter der Sozialabteilung der Kreisverwaltung: „Die Betroffenen sollen sich nicht integrieren und arbeiten. Aber sie sind lange da, sie werden geduldet, die Asylverfahren dauern lange. Sie brauchen die Sprachkenntnisse und Struktur.“ So wird improvisiert, werden etwa freie Plätze in Deutschkursen genutzt. Ehrenamtliche helfen mit Rat und Tat. Ein großer Wunsch der ägyptischen Bewohner im Pfarrhaus, namentlich des 38-jährigen Familienoberhauptes, ist schon in Erfüllung gegangen: „dass Deutschland Fußball-Weltmeister wird“.

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