Rhein-Pfalz Kreis Eine respektvolle Ruhe

Die polierten Messingsteine glänzen im Sonnenlicht, Schüler legen Blumen nieder. Die Stolpersteine erinnern an das Ehepaar Bug –
Die polierten Messingsteine glänzen im Sonnenlicht, Schüler legen Blumen nieder. Die Stolpersteine erinnern an das Ehepaar Bug – und die Botschaft lautet: Geschichte darf sich nicht wiederholen.

«Böhl-Iggelheim.»Jakob und Katharina Bug sind als Zeugen Jehovas von den Nationalsozialisten verfolgt worden. Nun erinnern zwei Stolpersteine in Böhl-Iggelheim an das Ehepaar. Als sie verlegt wurden, sind zahlreiche Glaubensbrüder und -schwestern am Samstag nach Iggelheim gekommen und erinnerten in einer Gedenkfeier daran, wie massiv die Zeugen Jehovas unter dem NS-Regime gelitten haben.

In der sonst so ruhigen Iggelheimer Sandgasse steht an diesem Samstagmorgen eine Menschenmenge. Sie hat sich vor dem Haus Nummer 41 versammelt und beobachtet mit respektvoller Ruhe, wie der Kölner Künstler Gunter Demnig zwei Messingsteine in das Gehweg-Pflaster einfügt. Als er sie am Ende mit einem Tuch poliert, glänzen sie im Sonnenlicht, das in die Straße fällt. Auch vor rund 79 Jahren, 1939, hat sich vor diesem Haus eine Menschenmenge versammelt. Jedoch war sie keineswegs friedlich, sondern feindselig und aufgebracht. Zahlreiche Menschen seien damals, aufgehetzt durch die Nazi-Ideologie, zum Haus von Jakob und Katharina Bug gegangen und hätten gerufen: „Wer wohnt in diesem Haus? – Ein Vaterlandsverräter! – Wo gehört er hin? – An den Galgen!“ So hat es Reinhard Wagemann erfahren, dessen Eltern das Ehepaar Bug gekannt haben und der gemeinsam mit seiner Frau die beiden Stolpersteine gespendet hat. Heimatforscher Theo Brendel, dessen Elternhaus sich ebenfalls in der Sandgasse befindet, hat die Situation damals aus nächster Nähe miterlebt. „Ich erinnere mich noch, dass da auf der Straße Massenbetrieb war, aber warum versteht man als Achtjähriger noch nicht“, sagt er. Später habe er von den Älteren erfahren, dass es Jakob Bugs Verhaftung war. Mit den Stolpersteinen möchten Werner Scarbata, Christa Bug und Vera Tanski vom Bündnis für Vielfalt und gegen Extremismus an das Schicksal der Bugs erinnern. Es ist bereits das zweite Mal, dass in Iggelheim Stolpersteine verlegt werden. Doch während die 2015 verlegten Steine jüdischen Opfer der NS-Zeit gewidmet sind, rücken diese nun mit den Zeugen Jehovas eine Opfergruppe in den Fokus, die bei Berichten über diese Zeit oft vergessen wird. Mit 19 Jahren hatte der 1898 in Haßloch geborene Jakob Bug als Meldegänger im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz zweiter Klasse verliehen bekommen. Doch seit 1923 besuchte er die Zusammenkünfte der Ernsten Bibelforscher, die sich ab 1931 Zeugen Jehovas nannten. Durch seinen Glauben geriet er bald in Konflikt mit dem NS-Regime. Seine Anstellung bei der IG Farben in Ludwigshafen verlor er 1937 nach 25-jähriger Betriebszugehörigkeit, weil er es abgelehnt hatte, dem „Gemeinschaftsempfang“ einer Führer-Rede beizuwohnen. Allein der Gruß „Heil Hitler“ sei den Zeugen Jehovas damals nicht über die Lippen gekommen, sagt Hubert Koch von den Zeugen Jehovas. „Das Heil erwarteten sie von Jesus Christus, nicht von Adolf Hitler und seiner braunen Partei“, sagt Koch. Wegen ihrer Haltung wurden die Zeugen bereits ab April 1933 verboten. Wie Vera Tanski recherchiert hat, wurde Jakob Bug seit 1936 nachweisbar von der Geheimen Staatspolizei beobachtet. Dass er und seine Frau Katharina, geborene Liedy, es mit ihrem Gewissen als Zeugen Jehovas nicht vereinbaren konnten, zu wählen, machte sie für die NSDAP zu Staatsfeinden. Als Jakob Bug sich dann aus Glaubensgründen weigerte, Wehrdienst zu leisten, wurde er am 31. August 1939 verhaftet. Am Ende wurde er zu lebenslangem Zuchthaus wegen Fahnenflucht verurteilt. Nach mehr als fünfjähriger Haft wurde Jakob Bug am 7. Mai 1945 befreit und in die Lungenheilstätten Hainberg in Colditz gebracht. Dort starb er am 24. Juni 1945 an Tuberkulose und Entkräftung. Seine Frau hatte ihn zuletzt bei seiner Verhaftung 1939 gesehen. Über ihr weiteres Schicksal konnte Vera Tanski nur wenig herausfinden. Auch Katharina wurde durch das Sondergericht in Mannheim verurteilt und befand sich offenbar zeitweise in Haft. In einem von ihr handgeschriebenen Brief in den Akten des damaligen Leiters der NSDAP aus Iggelheim, Michael Postel, schreibt sie: „Ich persönlich war von 1939-1946 ohne jede Unterstützung und mein Lebensglück ist für immer zerstört.“ 1953 starb auch Katharina Bug in einem Ludwigshafener Krankenhaus. Laut Koch ist das Schicksal der Bugs eines von vielen, denn von damals rund 25.000 Zeugen Jehovas in Deutschland wurden etwa 10.700 verfolgt. Über 8800 deutsche Zeugen Jehovas wurden in der Nazizeit inhaftiert, davon etwa 2800 in Konzentrationslagern. Und mit einem Hinweis auf Russland, wo die Zeugen Jehovas heute wieder verboten sind, mahnt Hubert Koch, dass Geschichte sich nicht wiederholen dürfe.

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