Rhein-Pfalz Kreis Ein Leben am Mikrofon

Mannheim. Am morgigen Freitag beginnt die Finalserie in der Deutschen Eishockey-Liga: Wenn die Mannheimer Adler dann mindestens zweimal Titelverteidiger ERC Ingolstadt in der SAP-Arena empfangen, steigt der Adrenalinspiegel bei Udo Scholz. Der 75-Jährige ist seit fast einem Vierteljahrhundert als Adler-Hallensprecher nah am Geschehen

Er hat mit den Eishockeyspielern wundervolle Momente erlebt, aber auch ganz bittere Stunden. „Das Mitfiebern gehört für mich dazu“, sagt Scholz, dessen originelle und enthusiastische Ansagen bundesweit bekannt sind. „Ich bin nicht einfach nur Stadionsprecher, ich bin mit viel Leidenschaft bei der Sache“, so der 75-Jährige. Es ist ein Ritual in der Mannheimer SAP-Arena: Kurz vor Spielbeginn verdunkelt sich die Szenerie, Scheinwerfer beleuchten das Eis, und es erklingt die Adler-Hymne „Major Tom“ von Tom Schilling. Die Fans singen lauthals mit. In diesen Augenblicken tanzt das Maskottchen des Clubs, ein Hamster, übers Eis. „Udo“ hat es die Adler-Fangemeinde liebevoll nach ihrem Stadionsprecher getauft – ein Zeichen der Wertschätzung. Seit 21 Jahren ist der gebürtige Westfale bei den Heimspielen des Clubs am Mikrofon. „Eishockey und die ganze Atmosphäre um diesen Sport herum faszinieren mich“, sagt er. „Auch die Fanszene ist sehr kreativ. Die überraschen uns oft mit einfallsreichen Choreografien.“ Mit den Adlern hat Scholz fünf Meistertitel und zwei Pokalsiege gefeiert. „Jeder dieser Titel hatte etwas Besonderes. Vier Meisterschaften habe ich noch im altehrwürdigen Eisstadion im Friedrichspark erlebt, aber der Titel von 2007 in der damals noch recht neuen SAP-Arena war etwas ganz Spezielles“, berichtet der Friedelsheimer, der sich aber auch noch gut an den schlimmsten Tag seiner Stadionsprecherlaufbahn erinnern kann, als die Mannheimer Adler im vierten Play-off-Spiel 2012 gegen die Berliner Eisbären einen 5:2-Vorsprung acht Minuten vor Spielende aus der Hand gaben, 5:6 verloren und die Meisterschaft letztlich vergeigten. „Ich hatte von den Ligaverantwortlichen schon einen Zettel in die Hand gedrückt bekommen, mit dem Namen des wertvollsten Spielers und des besten Scorers der Saison“, erzählt Scholz. „Der Siegerpokal stand bereits hinter der Spielerbank, und die Mädels warteten mit ihren Samtkissen, auf dem die Medaillen lagen.“ Für diese Saison ist er aber optimistisch: „Da ist ein tolles Team zusammengewachsen.“ Die Adler sind nicht die erste Station von Udo Scholz als Stadionsprecher. Begonnen hatte alles in seiner westfälischen Heimat Anfang der 60er-Jahre. Bei seinem Fußballverein RW Lüdenscheid, wo er als Rechtsaußen agierte, war er verletzt und sprang für den erkrankten Stadionsprecher ein. „Eines Tages kam ein Verantwortlicher von Borussia Dortmund auf mich zu. Ich dachte erst, der wollte mich als Spieler haben“, erzählt Scholz. Was er aber suchte, war ein Stadionsprecher. Also wechselte Scholz nach Dortmund, wo er am 31. August 1963 beim Heimspiel gegen 1860 München seine erste Ansage machte und bis 1972 am Stadionmikrofon saß. Er erlebte glanzvolle Zeiten mit deutscher Meisterschaft und Europapokalsieg. 1972 zog Scholz aus beruflichen Gründen in die Pfalz, wo er 1972 gleich als Stadionsprecher des 1. FC Kaiserslautern engagiert wurde. „Mein erster großer Auftritt war beim legendären 7:4-Sieg des FCK gegen Bayern München“, erinnert sich der Friedelsheimer. Nach 1:4-Rückstand drehten die Roten Teufel damals noch das irre Spiel. Auch andere Höhepunkte auf dem Betzenberg sind ihm noch in Erinnerung: die Meistertitel von 1991 und 1998 oder das sensationelle 5:0 gegen Real Madrid im Europapokal. Udo Scholz war auch der erste Stadionsprecher hierzulande, der beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung nur die Vornamen der Spieler verlas, die Fangemeinde rief danach lautstark den Nachnamen – ein Ritual, das sich bis heute in Fußballstadien und Eishockeyarenen hält. Und er erfand den Schlachtruf „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“. Die Idee ist ihm nach einem Urlaub in Bayern gekommen, als er auf der Rückfahrt den Beatles-Song „Yellow Submarine“ im Radio hörte. Auch „international“ hatte Udo Scholz seine Auftritte. So fungierte er bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 als Stadionsprecher bei der Wasserschlacht zwischen Deutschland und Polen in Frankfurt. Eine spezielle Sprecherausbildung habe er nie gehabt, sagt Scholz. Als Sohn eines Lokomotivführers habe er schon als 14-Jähriger im Bahnhof seiner Heimatgemeinde Brügge erste Erfahrungen mit Mikrofonansagen gesammelt, indem er Züge ansagte. Zurück in die Gegenwart. Wenn die Mannheimer Adler den Titel holen, weiß er schon, was getan wird: „Das Adler-Logo vor meinem Lokal in Friedelsheim wird noch in der Nacht neu gestrichen.“

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