Rhein-Pfalz Kreis 500 Meter bis Rio

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Mannheim. Carolin Leonhardt will sich zum vierten Mal für Olympische Spiele qualifizieren. Im April entscheidet sich, ob die Mannheimer Kanutin in Rio dabei ist. Die 31-Jährige hat in ihrer Karriere schon alle Höhen und Tiefen erlebt. 2004 gewann sie als Küken im Vierer-Kajak Gold. Vier Jahre später musste sie erkrankt passen. Und 2016?

Die allerbeste Laune hat Carolin Leonhardt an diesem Vormittag nicht. Weil dichte Nebelschwaden über den Mannheimer Altrhein ziehen, muss das Kajak in der Garage bleiben. Als sie vom Laufen zurückkommt, mag sich die Stimmung auch noch nicht so richtig aufhellen, denn im Leistungszentrum der Wassersportler an der Riedspitze ist die Heizung ausgefallen. Also sitzt sie mit dicker Winterjacke und Schal an einem Tisch und beginnt zu erzählen – von ihren ersten großen Wettkämpfen, von ihrer Verletzungsmisere im Jahr 2014 und von Olympia in Rio de Janeiro, ihrem großen Ziel im Sommer. Leonhardt hat schon früh in ihrer Karriere einen Erfolg gefeiert, von dem die meisten Sportler nur träumen. Bei ihren ersten Olympischen Spielen 2004 in Athen ist die gebürtige Lampertheimerin noch keine 20 Jahre alt, als sie im Vierer-Kajak in einem engen Rennen Gold gewinnt. „Cool, Gold, dachte ich damals nur. Bis man realisiert, was man da geschafft hat, das dauert“, sagt die Athletin des Wassersportvereins Mannheim-Sandhofen. Mit der damals 42 Jahre alten Kanu-Ikone Birgit Fischer holte sie im Zweier außerdem Silber. Mittlerweile ist Leonhardt mehrfache Welt- und Europameisterin, 2012 bei Olympia in London kam eine weitere Silbermedaille hinzu. Mit großer Wahrscheinlichkeit hätte sie auch bei den Spielen 2008 in Peking Edelmetall gewonnen. Doch wenige Tage vor Beginn der Wettkämpfe erkrankte sie an einer Nebenhöhlenentzündung. Die Ärzte rieten von einem Start ab, Leonhardt musste vorzeitig aus dem Olympischen Dorf abreisen. „Ihr“ Vierer gewann ohne sie Gold. Bei der Vorgeschichte ist es verständlich, dass sie eine kaputte Heizung in Alarmstimmung versetzt. Auch zu diesem frühen Zeitpunkt der Saisonvorbereitung kann eine Erkältung wichtige Trainingseinheiten kosten. Im November wurde Leonhardt 31 Jahre alt. An keinem Körper gehen 15 Jahre Leistungssport spurlos vorbei. 2014 war ein Seuchenjahr. Zu einer Ellenbogenverletzung gesellte sich eine hartnäckige Rippenblessur. 15 Monate konnte sie nicht ins Boot steigen. Dann kämpfte sie sich im vergangenen Jahr bei kleineren Wettkämpfen zurück. Ans Aufhören denkt Carolin Leonhardt noch lange nicht. „Wenn es gesundheitlich passt, mache ich weiter.“ Birgit Fischer, die lange ein Vorbild war und von deren Wettkampf-Erfahrung sie profitierte, schaffte es noch, als über 40-Jährige absolute Weltklasse zu sein. So weit will Leonhardt aber doch nicht vorausschauen. Beruflich hat sie alle Möglichkeiten, sich weiter auf den Sport zu konzentrieren. Im Februar hat die Mannheimerin ihre Ausbildung bei der Bundespolizei abgeschlossen. „Von meinem Arbeitgeber habe ich die volle Unterstützung.“ Von Weihnachten bis Silvester hat es Leonhardt ein bisschen ruhiger angehen lassen. Sie backte (und aß) ihre heiß geliebten Eierlikör-Plätzchen und Rumkugeln, verbrachte Zeit mit Familie und Freunden. Oft wird die 31-Jährige in nächster Zeit nicht zu Hause in Mannheim sein. Jetzt im Januar trainiert sie im Bundesleistungszentrum in Kienbaum, 40 Kilometer östlich von Berlin. Kurz vor Weihnachten war Carolin Leonhardt erst aus einem Trainingslager aus Florida zurückgekehrt. Im Februar ist ein weiteres Trainingslager in der Nähe von Rom geplant. Bis zum April muss die Form stimmen, denn die Olympia-Qualifikation ist knüppelhart. An einem Wochenende entscheidet sich alles. „Es geht freitags los, man muss im Einer jeweils 500 Meter zurücklegen. Es gibt Vor-, Zwischen- und Endlauf. Das zieht gut rein“, weiß sie aus Erfahrung. Ist man dort unter den Besten, gilt es im nächsten Schritt, die Teamboote einzufahren. Und das alles für den Traum Olympia. „Wenn man einmal Gold hatte, dieses Gefühl kennt, will man das unbedingt wieder“, sagt die Sportlerin. Schafft es die 31-Jährige, sich für den Vierer in Rio zu qualifizieren, ist eine Medaille drin. Die deutschen Boote gehören traditionell zu den Favoriten. Leonhardt: „Es ist aber schwerer geworden. Andere Nationen haben aufgeholt.“ Rio wird am Finaltag des Qualifikationswochenendes noch genau 500 Meter entfernt sein. In ungefähr anderthalb Minuten, in denen die Athletinnen alles aus ihren Körpern herausholen, entscheidet sich, ob der Olympia-Traum der Mannheimerin weitergeht.

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