Pirmasens Zufall muss draußen bleiben

„Spargel läutet den Frühling ein wie die Pfifferlinge den Sommer“, findet Vjekoslav Pavic.
»Spargel läutet den Frühling ein wie die Pfifferlinge den Sommer«, findet Vjekoslav Pavic.

Vjekoslav Pavic arbeitet am liebsten mit japanischen Kasumi-Messern und hält sich an den Grundsatz „Wer nicht alles gibt, gibt nichts“. Dabei handelt es sich um ein Zitat des Fußballtrainers Helenio Herrera, mit dem Inter Mailand in den 60ern gleich zweimal den Europapokal der Landesmeister gewann. Ein klarer Bezug zu dem Sternekoch, der seit zwei Jahren seinen Michelin-Stern behauptet, weil es ihm wichtig ist, sich in Sachen Kreativität immer wieder selbst zu übertreffen. Ganz wichtig ist dem gebürtigen Kroaten Herzlichkeit und Eleganz. Das spürt man im Restaurant wie in der Küche. Am Vormittag steht Sternekoch Vjekoslav Pavic in seiner Küche, um mit seinem Team Basics für die anstehenden Gourmet-Gerichte vorzubereiten: hauptsächlich Fonds und Soßen, die er lange köcheln lässt. Aktuell gefragt ist Jus, eine Fleischgrundsoße, die zum Perlhuhn passt. In der konzentriert sich nach drei Ansätzen einfach nur das Beste. „Gute Soßen brauchen viel Material und dulden keine Kompromisse“, verrät Pavic, bei dem sich ein Sud drei Tage lang fünf bis sechs Stunden aufs Finale auf dem Teller vorbereitet. Mit souveränen Griffen schneidet Pavic Fenchel, Karotten und Sellerie, und mischt Fleisch und Knochen vom Perlhuhn unter, die er zuvor im Ofen angebraten hat. „Durch die Röstung ist der Geschmack ein völlig anderer“, schwärmt der Perfektionist, der am Folgetag die gesamte Prozedur für die Soße wiederholt. Nur, dass er dann Gemüse, Fleisch und Knochen nicht mehr mit Wasser aufkocht, sondern in der passierten Brühe. In die Soße kommen auch reichlich Rotwein, Portwein und Madeira sowie Pfefferkörner und Lorbeer. Die edlen Tropfen werden auf ein Sechstel heruntergekocht, bis der Alkohol sich ganz verliert. „So bekommt man eine feine, milde Säure“, beschreibt Pavic und kostet. Er ist zufrieden: Die Soße gewinnt an Eleganz. Gewogen wird bei ihm so gut wie nie. Und: „Jeder Fenchel ist individuell“, erklärt der Sternekoch und beurteilt jedes Mal erneut Anisgeschmack und Süße, damit er die Nuance würzen kann, die er zuvor beschlossen hat. Bis Pavic seinen Gästen ein Gericht serviert, ist es ein langer Weg. Inspirationsreisen, Messen, doch vor allem der persönliche Geschmack geben den Ausschlag. An jedem Gericht feilt er wie ein Künstler im Atelier, bis das Werk vollendet ist. Die vorbereitete Jus etwa schmiegt sich Anfang Mai um gebratene Brust von Elsässer Perlhühnern, die auf Kichererbsen-Sesammousseline gebettet sind und dem Gourmet mit grünem Spargel und Rosmarin-Orangenhollandaise präsentiert werden. „Spargel läutet den Frühling ein, wie die Pfifferlinge den Sommer“, findet Pavic. Deswegen darf das edle Stangengemüse im Frühjahr ebenso wenig auf seiner Karte fehlen wie Erdbeeren aus der Pfalz. „Das wichtigste am Spargel kochen ist, dass man ihn nicht kocht“, erklärt der Profi: Das Gemüse wird in einem Sud aus Salz, Zucker und Butter zubereitet, in dem es gar zieht und herrlich saftig wird, verrät der Küchenchef. Die Pfälzer Erdbeeren hingegen kombiniert Pavic mit halbgefrorenem Basilikumparfait. „Wie gelingt Ihnen das Gericht derart exzellent?“, wird Pavic von seinen Gästen oft gefragt, die hin und wieder versuchen, ein Gericht des Sternekochs nachzukochen. „Sterneküche ist ein Mannschaftssport, der viel Vorbereitung braucht“, lüftet Pavic das Geheimnis. „Ich habe acht Hände in der Küche“, erklärt der Brasserie-Inhaber, der in seiner Küche vier Posten hat: einer für warmes Essen, einer für kaltes und einer für die Beilagen. Er selbst sieht sich als Springer, der in alle Töpfe guckt. „Allein könnte ich das niemals schaffen“, gibt Pavic zu, der sich mit seinem Sous-Chef Elias Lohrengel bereits seit sieben Jahren das Reich der Küche teilt. Da genügen wenige Worte, damit alles funktioniert. An der Wand verrät angepinntes Papier, was bei dem Sternekoch oben auf der Agenda steht. Neben Tabellen, Planungen und Bestellzetteln hat er Zeichnungen von Kindern aufgehängt. Von seinen eigenen, aber auch vom Nachwuchs seiner Gäste. „Die beruhigen mich“, erzählt Pavic, der übrigens nicht im Waldschlösschen wohnt. „Wenn die letzten Gourmets das Restaurant verlassen, schließe ich hinter mir ab und geh’ nach Hause“, erzählt der Koch, der auf dem Horeb wohnt. Er bevorzugt, Arbeit und Freizeit klar zu trennen, um ausreichend Distanz zum Genussrefugium zu haben, wie er sein Restaurant nennt. Die Serie In unserer Serie „Topfgucker“ berichten wir in loser Folge über Menschen und ihre Liebe zum Kochen. Sie lassen es zu, dass wir ihnen bei ihrer Arbeit über die Schulter schauen.

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