Pirmasens Hochdruck in der Kunst ist unglaublich vielseitig

„Mirrows twenty six, the second“ ist der Titel dieses Holzschnitts auf Leinen von Inessa Emmer in der Alten Post.
»Mirrows twenty six, the second« ist der Titel dieses Holzschnitts auf Leinen von Inessa Emmer in der Alten Post.

Es ist eine der größten Ausstellungen in der Alten Post, was die Zahl der Werke und die Qualität betrifft. Die Künstlergruppe Xylon zeigt ihre Jubiläumsausstellung zum Hochdruck und entführt in die scheinbar unendlichen Möglichkeiten, die diese Technik bietet. Vom klassischen Holzschnitt bis zum Fadendruck oder Lastenplanendruck reicht die Bandbreite.

Kulturdezernent Denis Clauer war bei der Vorbesichtigung begeistert von der Vielfalt der zu sehenden Werke und meinte zu Recht, dass die Ausstellung eine Bereicherung für die Alte Post sei. Die Künstlervereinigung Xylon wurde 1953 anlässlich einer Ausstellung in Zürich gegründet und stellt heute den wichtigsten Zusammenschluss vor allem von Holzschnittkünstlern im deutschsprachigen Raum dar.

Zum 70-jährigen Bestehen der Vereinigung wurde im Kunstmuseum Reutlingen die nun auch in Pirmasens zu sehende Ausstellung gezeigt. Der Pirmasenser Künstler Matthias Strugalla hat den Kontakt hergestellt. Sein Bruder ist Mitglied von Xylon und auch in der Ausstellung vertreten. Dazu kommen weitere Künstlerfreunde von Strugalla wie Bettina van Haaren und Volker Lehnert.

Textilmusterstempel und Lasterplanen

81 Künstler wurden für die Jubiläumsausstellung von einer Jury ausgewählt. 190 hatten sich beworben. Charlotte Veit, Kuratorin der Alten Post, war in der Jury und ist begeistert über die 81 Werke. In jedem Winkel der zwei Ausstellungssäle lassen sich permanent neue, spannende Arbeiten entdecken. Der Rundgang bietet nicht nur einen Überblick über die Möglichkeiten der Hochdrucktechniken wie Linol- und Holzschnitt, sondern auch über künstlerische Ausdrucksformen, die Künstler von Leipzig bis Bern gefunden haben.

Da wäre beispielsweise Jörg Mandernach, der mit Textilmusterstempeln und Linolschnitt auf alte Buchhaltungsbögen gedruckt hat. Wozu sollen Künstler in Zeiten knapper Ressourcen nicht auch gebrauchte Papiere, die bereits eine Struktur haben, in ihre Kunst integrieren, dürfte sich Mandernach gedacht haben. Oder Julia Weißflog aus Westfalen, die mit Lasterplanen gedruckt hat. Da hat sich jemand einen Holzstock gespart und damit ebenfalls Ressourcen geschont. Die Klimaproteste selbst hat Philip Angermaier zum Thema seines Holzschnitts gemacht. Zu sehen ist ein Gemälde in einem Ausstellungsraum, das mit schwarzer Farbe übergossen wurde. Daneben steht ein Aktivist der „Letzten Generation“.

Silikondruck und Fadendruck

Die Ausstellung zeigt aber auch viele richtig exotische Arbeiten, bei denen die Künstler sehr viel Wert auf das Material gelegt haben. Christa Rogger beispielsweise hat nicht einfach auf normales Papier gedruckt. Sie brauchte handgeschöpftes Maulbeerbaum-Papier, das mit Baumwollgarn als weiteres grafisches Element in den Raum hinein erweitert wurde. Oder Peter Kalkowsky, der mit der Technik des Fadendrucks ein Op-Art-Werk in Rot geschaffen hat. Und Leif Horns hat seine „Waldkiefer im Regen“ gleich als Holz-Druckstock belassen, womit eines der ausdrucksstärksten Werke der Ausstellung entstanden ist.

Die Besucher lernen auch fantasievolle Varianten der Holzschnitttechnik kennen. Jeong Min An hat im Silikon-Holzdruck gearbeitet. Harald Alff schuf mit dem eigentlich eher groben Linolschnitt ein Werk, das einem aufwendigen Fotodruck ähnelt.

Comic und Schwimmbadatmosphäre

Kuratorin Charlotte Veit muss einen großen Aufwand für die Hängung der sehr unterschiedlichen Werke betreiben. Großformatige Arbeiten, die mit einfachen Mitteln eine perfekte Schwimmbadatmosphäre zaubern, finden sich neben kleinformatigeren Werken, die eher in den Bereich des Comic gehören. Unter den Einsendungen finden sich auch sehr reduzierte Werke wie der Linolschnitt von Johannes C. Gérard, der mit zwei einfachen Formen und viel Weiß gearbeitet hat, während Tina Stolt mit Hochdruck von Kartonplatten eine scheinbar einfache Form mit sehr dynamischem Ausdruck auf das großformatige Papier zaubern konnte. „Begleittier“ ist der Titel ihrer rein schwarz-weißen Komposition, die ebenfalls zu den besten der Ausstellung zählt.

Dazu kommen viele Arbeiten, die einfach nur Geschichten erzählen. „Ich will ein Kind von mir sein“ lautet beispielsweise der Titel eines Holzschnitts auf Graupappe von Franca Bartholomäi, die bewusst das „sein“ im Titel ganz klein gemacht hat, um mit der Aussage erstmal zu verwirren. Oder Angelique van Wesemael, die zwei wohl tätowierte Beine aus einem Zeitstrudel wachsen lässt. „Time will tell“ ist der Titel dieses vieldeutigen und sehr detailreich gearbeiteten Werks.

Info

„Hochdruck now – 70 Jahre Xylon“, Gruppenschau, 81 Künstler, 12. November bis 21. Januar, Pirmasens, Alte Post, Poststraße 2, Mittwoch bis Sonntag 10-17 Uhr.

Vernissage: Sonntag 12. November, 11 Uhr, es sprechen Kulturdezernent Denis Clauer, Kuratorin Charlotte Veit, Johannes Strugalla (Xylon) und Johannes Krause-Schenk, der Kurator der Reutlinger Ausstellung.

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