Pirmasens Die Vergänglichkeit des Lebens

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Die dunklen Töne herrschten nicht nur optisch vor beim Konzert des Oratorienchores Pirmasens am Sonntag in der gut besetzten Pirmasenser Festhalle. Unter der Leitung von Helfried Steckel standen Johann Sebastian Bachs „Kreuzstab-Kantate“ und Mozarts „Requiem“ auf dem Programm – Werke, die, wenn nicht der Jenseitssehnsucht, so doch der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens, Wörter und Töne geben.

Das Konzert von Oratorienchor und Mitgliedern der Deutschen Radiophilharmonie darf auch durchaus als Solistenabend aufgefasst werden. Christina Roterberg (Sopran), Angela Lösch (Alt), Patrick Grahl (Tenor) und Klaus Mertens (Bass) waren nicht nur Schlüsselfiguren des Konzertes, sondern auch grandios interagierende Partner von Chor und Orchester. Tragende Rollen hatten auch Veit Stolzenberger (Oboe) und Stephan Rahn (Cembalo) in der Bach-Kantate. Bachs Kantate BWV 56 „Ich will den Kreuzstab gerne tragen“ ist in ihrer barocken Religiosität mit der Verachtung des Diesseitigen und der Überhöhung eines ersehnten besseren Lebens nach dem Tode inhaltlich alles andere als leichte Kost. Aber wie immer bei Bach wird die heute nur schwer erträgliche Botschaft des Textes durch die Genialität der Musik in zeitloser Schönheit aufgelöst. Bei Bach ist tatsächlich alles Wesentliche der westlichen Musik bereits angelegt, wenn nicht vollendet. Eine Parade-Partie für Klaus Mertens, der all seine gestalterische Kraft in die beiden Arien und Rezitative legen kann, die auch technisch, zum Beispiel im zweiten Rezitativ mit seinen buchstäblich atemberaubenden Koloraturen, auch an einen Könner wie Mertens Ansprüche stellen. Sein Zusammenwirken mit dem Chor im abschließenden Choral „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“ zeigte die ganze Klasse von Ensemble und Solist. Mozarts „Requiem“, als zentrales Werk des Abends in der Pirmasenser Festhalle, gehört sicherlich zu den mystisch aufgeladensten Werken der klassischen Musik. Mozarts letzte und unvollendet gebliebene Komposition hat in der Nachfolge viele Komponisten zur Vollendung, mindestens aber Vervollständigung animiert. Helfried Steckel und sein Oratorienchor haben auf die gängigste Nachbearbeitung des Mozart-Schülers Franz Xaver Süßmayr zurückgegriffen, der Melodien und Motive für die fehlenden Teile eher recycelte und fortspann, denn zu einer mehr unabhängigen Deutung zu gelangen. Es gibt sicherlich riskantere und mutigere Lösungen, diese hier ist aber fraglos die bekannteste. Man kann sich aber kaum Musiker vorstellen, die sich von Mozarts „Requiem“ nicht zu Höchstleistungen inspiriert fühlten. Die geradezu unirdische Schönheit der Musik ist technisch herausfordernd, in ihrem emotionalen Gehalt aber ungeheuer schwierig zu gestalten. Zu naheliegend ist die Versuchung, die tiefe menschliche Empfindung der Musik in hohles Pathos zu verkehren. Der bisweilen raue Ton des Orchesters, die Natürlichkeit des Chorgesangs und die über jeden Zweifel erhabene Kompetenz der Gesangssolisten schenkte dem Publikum indessen eine Interpretation, die mit „ergreifend“ nur näherungsweise zu beschreiben ist. Die Wucht der Darbietung war in hohem Maße dem uneitlen Zusammenwirken von Gesangssolisten und Chor geschuldet. Das Markenzeichen des Oratorienchors – hohe Geschlossenheit und Geschmeidigkeit in der Dynamik – war nicht nur lediglich Hintergrund für die Solo-Sänger. Der strahlende Sopran von Christina Roterberg wurde warm koloriert von Angela Löschs Altstimme. Patrick Grahl und Klaus Mertens wirkten in ebenso dichter wie intensiver Dramatik zusammen, als stünden sie jeden Abend gemeinsam auf der Bühne.

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