Pirmasens Auf 220 Pferdestärken umgesattelt

Mit einer Pferdestärke hat alles begonnen, inzwischen bändigt sie 220 PS. Die Rede ist von Angelique Germann aus Pirmasens-Gersbach und gemeint sind ihre beiden Hobbys: Die 23-Jährige reitet seit ihrem sechsten Lebensjahr und nimmt an Turnieren teil, hat aber eine neue Leidenschaft für sich entdeckt: den Autorennsport. Seit gut einem Jahr fährt sie Formel-3-Rennen. 220 PS, 2000 Kubik – das sind die Eckdaten ihres Formel-3-Flitzers „T 311“, mit dem sie inzwischen sechs Rennen gefahren hat. „Ich brauche das Adrenalin, die Aufregung und die Spannung, all das kann ich im Rennsport ausleben“, erzählt sie.

Erfolgreich behauptet sich Angelique Germann in einer Männerdomäne. „Es macht mir Spaß, mich mit Männern zu messen“, sagt sie. Dass sie Talent zum sehr schnellen Autofahren hat, hat sie inzwischen unter Beweis gestellt. Mit einem achten Platz in einem internationalen, 20 Fahrer zählenden Feld bei einem Formel-3-Rennen auf dem Hockenheimring im Oktober 2014 erreichte sie ihre bislang beste Platzierung. „Es war schon eine große Genugtuung für mich, an denen vorbeizufahren, die mich bei den ersten Rennen beim Überholen belächelt haben“, stellt sie mit einem charmanten Lächeln fest. Angelique, die ältere von zwei Schwestern, wird von ihrer Mutter Petra als „extrem ehrgeizig“ beschrieben. „Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann setzt sie es um, am liebsten würde sie alles gleichzeitig machen“, beschreibt sie ihre Tochter. Rennsport war bei Familie Germann schon immer ein Thema. Papa Andreas fuhr vor 30 Jahren bereits Bergrennen, pausierte dann längere Zeit, bevor ihn dann vor sechs Jahren das Rennfieber wieder packte und seither, wie die Tochter, dem „CR Racing Team“ angehört. „Ich bin schon als Mädchen in Rennautos meines Vaters einige Runden auf dem Parkplatz gefahren“, erinnert sich Angelique. Das Zusehen und Anfeuern war ihr dann aber irgendwann nicht mehr genug: „Ich wollte mich messen und meine Eltern haben mich dabei unterstützt, ebenso meine Schwester Sahri.“ Ungewöhnlich ist der Seiteneinstieg der Gersbacherin in den Rennsport allemal. Während die allermeisten Formelfahrer aus dem Kartsport aufsteigen, verfügt Angelique Germann über keine Vorerfahrung. „Leider kann ich nur wenig trainieren, meist beschränkt es sich auf zwei freie Trainings vor den Rennen, das muss genügen“, sagt sie. Aufgeregt sei sie gewesen, so aufgeregt, dass es ein Teammitglied auf folgenden Nenner brachte: „Wenn man durch Dein Visier in Dein Gesicht blickt, sieht man nur zwei riesengroße braune Augen.“ Und lächelnd gesteht die junge Rennfahrerin auch, dass sie insbesondere zum Karrierestart öfter als ihr lieb war eine unfreiwillige Pirouette auf dem Asphalt gedreht habe und die Reifen öfter mal mit Gras in Berührung kamen. „Der Ehrgeiz ist manchmal hinderlich, ich habe dann schnell gelernt, dass erst mal ankommen zählt, bevor es um Bestzeiten geht.“ Inzwischen hat sich sogar schon eine Fangemeinde gebildet. Mit einem eigenen Rennsportkalender mit waghalsigen Aufnahmen der ungewöhnlichen Rennfahrerin und einer Autogrammkarte ist sie bereits ausgestattet. Größter Fan ist und bleibt aber Zwergspitz „Carlos“, der bei jedem Rennen mit seinem Kampfgewicht von 2,7 Kilogramm kräftig bellt, wenn Frauchen die Rennrunden auf den Rennstrecken zieht. Die sportlichen Vorbilder sind Sebastian Vettel und Susie Wolf. Ihr Ziel für das laufende Jahr: „Ich möchte weiter Erfahrung sammeln.“ Die 23-jährige angehende Kauffrau für Büromanagement – das lernt sie im elterlichen Betrieb – besitzt aber daneben auch eine kreative Ader: In ihrer Freizeit strickt, häkelt und näht die Rennfahrerin gerne. Eines wird sie jedoch im Gegensatz zur ersten Rennsportsaison ändern: „Mein Auto war an einigen Stellen pink lackiert, damit wusste gleich jeder, dass eine Frau hinterm Steuer sitzt. Das muss verschwinden. Ich möchte in Zeiten gemessen werden und nicht anhand von Farben“, sagt sie beherzt.

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