Neustadt „Wir prüfen ergebnisoffen“

«Kaiserslautern.»Es geht nicht darum, zu sparen, sondern um organisatorische und pädagogische Aspekte. Allein aus diesen Gründen überprüfe das Bildungsministerium 41 Grundschulen im Land, ob sie geschlossen werden, macht Bildungs-Staatssekretär Hans Beckmann (SPD) gegenüber der RHEINPFALZ klar. Und noch sei alles offen, auch die Zukunft der Schulen in Linden und Frankenstein oder Esthal.

„Nein, das macht man nicht gerne.“ Der ehemalige Englisch- und Sozialkundelehrer Hans Beckmann muss dies gar nicht drei Mal sagen, damit man es ihm glaubt. Wenn ein Ministerium einem Dorf androht, die Schule zu schließen, dann ist klar, wer die Prügel abbekommt. Doch das Ministerium bemüht sich um Schadensbegrenzung: „Wir haben am 22. März alle 41 Schulträger eingeladen und die Leitlinien vorgestellt“, berichtet Pressesprecherin Sabine Schmidt. Zudem habe jede Schule einen Ansprechpartner genannt bekommen. Bis Ende Januar konnten Schulen, Lehrer- und Elternverbände Stellungnahmen dazu abgeben, „Wir haben auch einiges erhalten“, bestätigt sie. Nun wartet das Ministerium bis Ende September auf die Konzepte, in denen die Schulen überzeugende Argumente für deren Erhalt vorbringen. „Die Leitlinien haben wir bewusst ganz breit gefasst, denn es geht nicht nur um die Schülerzahlen und Pädagogik, sondern zum Beispiel auch um Toiletten und die Ausstattung mit Whiteboards“, erläutert Beckmann. Wenn er pädagogische Gründe ins Feld führt, heiße das jedoch nicht etwa, „dass die Kinder in den Kombiklassen weniger oder schlechter lernen“. Aber an kleinen Schulen fehle der Austausch der Lehrkräfte untereinander, pädagogische Konzepte ließen sich schwieriger umsetzen. „Und jahrgangsübergreifender Unterricht schließt nicht automatisch Frontalunterricht aus“, schiebt er hinterher. Organisatorische Nachteile einer Zwergschule seien die äußerst schwierige Vertretung, wenn eine Lehrkraft ausfällt. „Wir haben mal Grundschüler zwei Monate lang an eine andere Schule gefahren“, bringt er ein Extrem-Beispiel. Und erst ab einer bestimmten Größe seien Dinge wie ein Schulfest möglich. Um die Dimension der möglichen Schließungen einzuordnen, nennt Beckmann ein paar Zahlen zum Vergleich: „Wir haben 964 Grundschulen im Land, 41 davon überprüfen wir“, sagt er – und legt die Betonung auf „überprüfen“. Das Saarland habe vor einigen Jahren „100 von 300 Schulen geschlossen“, lässt er die Pläne des rheinland-pfälzischen Ministeriums bescheiden aussehen. Und auch die SPD-Regierung rückt er ins gute Licht: „Von 1970 bis 1991 wurden 840 Schulen geschlossen“, beschreibt er die Ära der Christdemokraten in Mainz. Und wie sah es danach aus, seitdem die SPD das Ruder übernommen hat? „In der Zeit von 2006 bis 2017 wurden 28 Grundschulen geschlossen, alle auf Antrag der Schulträger“, hat er Zahlen für diese letzten Jahre parat. Natürlich sei eine Grundschule ein wichtiger Standortfaktor für einen Ort, will Beckmann gar nicht in Zweifel ziehen. Doch es gebe auch Orte, die ohne Schule florieren; heute seien 1500 der 2300 Gemeinden im Land ohne Grundschule. Dass es nicht um finanzielle Gründe bei den eventuellen Schließungen geht, will Beckmann ebenfalls mit der Einordnung ins große Ganze deutlich machen. „Der Gesamt-Schuletat beläuft sich auf 4,5 Milliarden Euro“, sagt er. Rund 37.000 Lehrerstellen beziehungsweise 41.000 Lehrkräfte gebe es im Land. „Eine Einsparung hier würde sich auf die 15. Stelle hinterm Komma auswirken“, sagt er. Dass die Bertelsmann-Stiftung kürzlich warnte, die Schülerzahlen werden früher als erwartet steigen und dann Lehrer sowie Räume vor allem im Grundschulbereich fehlen, ist für das Mainzer Bildungsministerium kein Grund zum Umschwenken. „Im Unterschied zur Bertelsmann-Studie trennen wir länderscharf“, wirft er ein. Die Situation im Bund, die jene Studie beschreibe, sei nicht eins zu eins auf Rheinland-Pfalz übertragbar. „Laut unseren Vorausberechnungen werden die Schülerzahlen noch bis 2021 weiter zurückgehen und dann ansteigen.“ Demzufolge werde es im Land „im Jahr 2025 rund 519.000 Schüler geben, das sind 3,3 Prozent weniger als 2016“, ergänzt Pressesprecherin Schmidt. Im Jahr 2030 werden es mit 523.800 Schülern dann 2,4 Prozent weniger als 2016 sein, lautet die Ministeriums-Prognose. Das Schuljahr 2016/17 war das Schuljahr, in dem durch den Flüchtlingszuzug die Zahlen stiegen; auch bei den Lehrern hat das Land reagiert: „270 Stellen kamen deswegen in dem Schuljahr hinzu“, sagt Beckmann. Ein nicht unbedeutendes Kriterium bei der Entscheidung über Schließung oder Erhalt sei auch der Schulweg. „Wir wollen nicht, dass Sechsjährige eine Stunde durch die Gegend fahren“, betont er. Ein Transport per Bahn sei nicht ausgeschlossen, aber „für Grundschüler beträgt der maximal zumutbare Fußweg zwei Kilometer“. Schaut man auf die Karte, sieht man, dass in Frankenstein etliche Häuser in Ortsteilen wie Schliertal oder Thörigtal über zwei Kilometer vom Bahnhof entfernt liegen. Dass viele Kriterien in die Entscheidung einfließen und die Prüfung „ergebnisoffen“ ablaufe, ist Beckmann wichtig. Er könne keine Prognose geben. Mit dem Konzept könne eine Schule also durchaus auf das Ergebnis einwirken. „Vielleicht gibt es gute Gründe für eine Schule mit nur 20 Kindern, die wir am grünen Tisch in Mainz nicht kennen.“

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