Neustadt Von Gerüchten und Gewölben

Auf „mindestens 100“ schätzt Ingenieurin Ilona Bast die Anzahl der meist sehr tiefen Keller im alten Stadtkern. Eine genaue Aufstellung existiere nicht, auch nicht von den Häusern in städtischem Besitz. Das ist das Gebäude-Ensemble Ludwigstraße 13 nur noch bis Jahresende. Für die Leiterin des Technischen Gebäudemanagements der Stadt ist der Keller unter dem alten Haupthaus aber besonders interessant. Auf dem Weg ins Gelass kommt die Warnung „Vorsicht, Stufe“ etwas zu spät. Ein dichtes Spinnennetz hat den Kopf des Berichterstatters bereits umhüllt. Diese Treppe hat zuvor schon längere Zeit niemand benutzt. Es ist nicht die ursprüngliche Treppe. Die führt, nur noch in Resten erhalten, gleich daneben hinauf und hinunter. Doch das Eingangsrundtor dazu ist zugemauert, der neuere Kellereinlass befindet sich links hinter der großen Haustür. Seit längerer Zeit unbenutzt ist auch der gesamte, mit Nebenraum etwa 200 Quadratmeter große und geschätzte vier Meter hohe Gewölbekeller mit den teils geschlämmten Sandsteinwänden. Hausbesitzer der Vergangenheit haben außerdem zwei, drei halbhohe Mauern als Unterteilung eingezogen. Die dienten offenbar zur Abtrennung von Kartoffeln, Rüben und Brennmaterial. Davon ist nichts mehr zu sehen. Auf den hie und da mit Karton- und sonstigen Papierresten bedeckten Bodenbelag weist Ilona Bast besonders hin. „Da, Kopfsteinpflaster, dazu ein paar später eingesetzte Backsteine. Das ist ganz gut so.“ Denn diese Bepflasterung mit einem Großteil an Natursteinen erhalte die Luftzirkulation im Tiefgeschoss. Komme ein Betonbelag darauf, wie ihn in der Ludwigstraße 13 manche späteren Hausbesitzer veranlasst haben, „funktioniert die Lüftung nicht mehr“, ordnet Bast ein. Die Folge: „Es wird feucht.“ Nicht alle der nach der Stadtzerstörung im Jahr 1689 gebauten Anwesen seien unterkellert, sagt die Fachfrau. Aufgrund seiner Beschaffenheit „dürfte der Keller unter dem Haus Ludwigstraße 13 erst entstanden sein, als das Anwesen gebaut worden ist“, glaubt sie. Das sei demnach „erst“ um 1709 gewesen, als der spätbarocke Walmdachbau errichtet worden ist. Ein Keller aus dem Mittelalter ist es nicht. Nicht alle alten Speyerer Gelasse schließen mit den jeweiligen Haus-Außenwänden ab, manche ragen in die vorbeiführenden Straßen und Gassen hinein. Ob manche der Keller, von denen einige als Gaststätten genutzt werden, miteinander verbunden sind, könne sie nicht sagen, so die Ingenieurin. „Eher nicht“, sagt sie. Demnach ist das sich hartnäckig haltende Gerücht, „ganz Speyer ist unterirdisch vernetzt“, wohl genau das, was es ist. Ein Gerücht. Allerdings: Ilona Bast öffnet eine kleine Tür mit einer weiteren Treppe dahinter. „Die führt vom Herrschafts- ins Gesindehaus“, erläutert sie. Mägde und Knechte, Zofen und Diener, hatten sich demnach durch den Keller in die „vornehmen“ Räume und zurück zu verfügen, etwa um Mahlzeiten aufzutragen.

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