Neustadt „Unser Klang ist weniger fett“

„Das ist nur ’ne Mode, das gibt sich wieder“, sagte sein Geigenlehrer. Doch heute kommt nach Martin Jopps fester Überzeugung nie
»Das ist nur ’ne Mode, das gibt sich wieder«, sagte sein Geigenlehrer. Doch heute kommt nach Martin Jopps fester Überzeugung niemand mehr an den Geboten der historischen Aufführungspraxis vorbei. Er selbst spielt auf einer Violine, die 1650 von Jacobus Stainer gebaut wurde, den Mozart höher als Stradivari einschätzte.

«Neustadt». 15 Konzerte in elf Tagen bietet das Alte-Musik-Festival „Neustadter Herbst“, das ab nächsten Samstag vor allem in der Neustadter Stiftskirche (aber nicht nur dort) die Klangideale vergangener Zeiten zu neuem Leben erwecken will. Mit gleich drei Auftritten mit unterschiedlichen Partnern ist der in Leipzig lebende Barockviolinist Martin Jopp einer der Hauptprotagonisten . Markus Pacher sprach mit ihm vorab unter anderem über die Stellung der Alten-Musik-Szene im heutigen Klassik-Betrieb.

Herr Jopp, noch vor wenigen Jahrzehnten wurden die Vertreter der sogenannten historisch informierten Aufführungspraxis in der Klassikszene als Außenseiter belächelt. Was hat sich seitdem getan?

„Das ist nur ’ne Mode, das gibt sich wieder“, sagte mein damaliger Geigenlehrer. Ich widersprach ihm und sollte Recht behalten. Heute kommt niemand mehr an den Geboten der historischen Aufführungspraxis vorbei. Auch „moderne Orchester“ müssen sich damit beschäftigen. So findet mittlerweile ein reger Austausch statt zwischen Alte-Musik-Experten und Musikern, die eher eine traditionelle Auffassung pflegen. Wenn ich selbst in „modernen“ Orchestern jobbe, gebe ich meinen Kollegen gerne Tipps auf dem Weg zu einem stärker auf Authentizität ausgerichteten Klang. Seit 25 Jahren gibt es eine musikalische Verbindung zwischen Ihnen und dem Neustadter Fritz Burkhardt. Welche Vorstellung von Musikmachen vereint Sie, was zeichnet Ihre künstlerische Zusammenarbeit aus? Kennengelernt haben wir uns bei einem studentischen Dirigentenprojekt der Stuttgarter Hochschule. Einer der Dirigenten war Fritz Burkhardt, der sich schon sehr früh für historische Aufführungspraxis interessierte und neben seinem Musikstudium in Stuttgart heimlich Barockvioline in Straßburg studierte. Ich stand noch ganz am Anfang meines Studiums. Die Richtung, die Fritz Burkhardt eingeschlagen hatte, war mir sehr sympathisch. Er hat mir viele Impulse gegeben, zum Beispiel, wo und wie man an Darmsaiten und Barockbögen kommt. Schließlich hat er mich gefragt, ob ich in seinem drei Jahre zuvor gegründeten „Ensemble 1800“ mitspielen möchte. Was uns verbindet? Wir lesen ähnliche Dinge aus den Noten und wir empfinden es als sympathisch, was der andere daraus macht. Außerdem haben wir einen ähnlichen Musikgeschmack und ähnliche musikalische Vorbilder. Beim Eröffnungskonzert am Sonntag in einer Woche steht Franz Schuberts „Unvollendete“ auf dem Programm. Worin unterscheidet sich die Aufführung durch das „Ensemble 1800“ gegenüber „modernen“ Interpretationen. Welche besonderen Klangziele verfolgt das Orchester? Uns geht es darum, die Partitur exakt zu studieren. Welche Dynamik möchte Schubert, wie sind die Phrasierungen? Da wir auf anderen Instrumenten spielen, entsteht eine andere Klangbalance. Die Lautstärke moderner Instrumente ist ganz anders. Wir müssen nicht so kämpfen, müssen keine künstlichen Maßnahmen zur Klangbalance ergreifen. Unser Klang ist weniger fett, wir spielen mit weniger Vibrato. Aber Schubert bleibt Schubert, und das Publikum wird vor allem die volkstümlichen und liedhaften Elemente wiedererkennen. Erzählen Sie uns etwas über Ihre Violine. Wie kommt man an ein Instrument mit Baujahr 1650? So etwas läuft einem einfach über den Weg. Man muss nur Glück haben. Das war 1999 in Stuttgart. In der Barockzeit galten die Stainer-Geigen als das absolute Ideal. Noch gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurden sie höher gehandelt als die Stradivari-Geigen. Bach und Mozart schwörten auf diese Instrumente. Das gute Stück war natürlich nicht ganz billig, aber mit Hilfe von Sponsoren, allen voran meine Familie, konnte ich es erwerben. Was machen Sie, wenn Sie nicht gerade musizieren? Bleibt einem als Solist und Konzertmeister mehrerer renommierter Klangkörper nebst zahlreichen kammermusikalischen Einsätzen noch Zeit für Hobbys? Ich bin zwar das halbe Jahr unterwegs, aber glücklicherweise bleibt noch immer Zeit für mein Lieblingshobby, den Radsport. Manchmal lässt sich das auch gut mit den musikalischen Einsätzen verbinden, wie jüngst in Innsbruck. Da blieb im Anschluss noch Zeit für eine Radtour über den Brenner nach Südtirol. Noch Fragen? Karten für alle kostenpflichtigen Konzerte des Festivals sind erhältlich bei der Neustadter Bücherstube in der Landauer Straße sowie unter www.neustadter-herbst.de. Auf der Webseite finden sich auch weitere Informationen zu den Programmen und den Ausführenden.

Eines von drei Ensembles, mit denen Martin Jopp beim „Neustadter Herbst“ zu erleben ist: das von ihm selbst geleitete „Main-Baro
Eines von drei Ensembles, mit denen Martin Jopp beim »Neustadter Herbst« zu erleben ist: das von ihm selbst geleitete »Main-Barockorchester«, das am 12. September das Abschlusskonzert im Saalbau bestreitet.
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