Neustadt Stühlerücken im Rat

Sie mutete ein bisschen an wie das alte Kinderspiel „Die Reise nach Jerusalem“, die Sitzung des Esthaler Gemeinderates diese Woche. Doch ging es nicht darum, so schnell wie möglich einen freien Stuhl zu finden – jedes Ratsmitglied hat ja schließlich seinen festen Platz. Vielmehr mussten sich einige der Kommunalpolitiker beim ersten Tagesordnungspunkt immer wieder von ihren Stühlen erheben und einen Schritt vom Tisch zurücktreten – wegen Befangenheit. 17 Straßen galt es als Gemeindestraßen und damit als öffentliche Straßen zu widmen und sie somit den heutigen Rechtsgrundsätzen anzupassen. Das war nötig, um die wiederkehrenden Beiträge berechnen zu können. Es ging also um eine reine Formalie. Für die zog der Esthaler Ortsbürgermeister Gernot Kuhn (CDU) vorsichtshalber die Gemeindeordnung zurate. Darin stand geschrieben, dass die Ratsmitglieder bei einer solchen Entscheidung nicht mitstimmen dürfen, die selbst Grundstückseigentümer in einer der Straßen sind oder gewisse verwandtschaftliche Verhältnisse haben. Bei Letzteren geht es konkret um Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Verwandte bis zum dritten Grade, Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner der Verwandten bis zum zweiten Grade sowie Verschwägerte bis zum zweiten Grade. Kuhn gab ein bisschen Schützenhilfe und erklärte, was die Grade bedeuten. Bei einigen Straßen wie der Entengasse stand nur ein Ratsmitglied auf. Bei anderen waren es zwei, drei oder auch mal vier. „Ach, einer reicht doch für die Abstimmung“, scherzte einer. Aber da ging definitiv noch mehr. „Jetzt wird’s lustig“, kündigte Kuhn die Hauptstraße an. Zu der gehört nämlich auch ein Flurstück der Waldstraße – ergo waren auch Grundstücksbesitzer oder Angehörige von solchen der Waldstraße betroffen. Von 14 Ratsmitgliedern saßen letztlich gerade mal vier noch am Tisch. Da ist zu überlegen, ob tatsächlich noch die Rede von einer Sitzung sein kann. Übrigens: Die Widmung jeder Straße wurde jeweils einstimmig beschlossen.

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