Neustadt Schlag ins Gesicht mit Folgen

Hat ein 52-jähriger Polizist in der Nacht vom 19. auf 20. Juni 2012 in der Polizeiinspektion Haßloch einem Betrunkenen grundlos dreimal ins Gesicht geschlagen oder hat er einmal zugeschlagen, weil er sich beleidigt und bedroht fühlte? Das ist die Frage in einem Verfahren gegen einen Beamten, der wegen Körperverletzung im Amt und Verfolgung Unschuldiger angeklagt ist.

Im Juni 2013 war er vom Schöffengericht des Amtsgerichts Neustadt freigesprochen worden. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft Frankenthal Berufung ein. Am Montag begann am Landgericht Frankenthal die Berufungsverhandlung gegen den Polizeibeamten. Wegen Verfolgung Unschuldiger ist er angeklagt, weil er im Einsatzbericht das Geschehen in der Polizeiinspektion falsch dargestellt haben soll, um zu erreichen, dass gegen den 29-Jährigen ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte eingeleitet wird. Mit dem Betrunkenen war in jener Nacht vor allem die Bundespolizei beschäftigt, die unter anderem für alle Anlagen der Deutschen Bahn zuständig ist. Der 29-Jährige hatte bei einer Kontrolle am Haßlocher Bahnhof Ärger gemacht. Die Bundespolizisten brachten den Mann auf die Haßlocher Polizeiinspektion, um dort einen Atem-Alkoholtest zu machen. Schon bei der Verhandlung am Amtsgericht war deutlich geworden, dass es Differenzen zwischen dem 52-Jährigen, damals Dienstgruppenleiter bei der Haßlocher Polizeiinspektion, und der Bundespolizei gibt. Auch am Montag zeigte sich das in der Aussage des Angeklagten. So äußerte er die Vermutung, dass die Bundespolizisten den Betrunkenen geschlagen hätten und ihm das nun „in die Schuhe schieben“ wollten. Auch seien die vier Bundespolizisten, die in der Polizeiinspektion Haßloch waren, nicht kompetent gewesen. Sie hätten ihn mehrfach gefragt, was sie machen sollen, den Betrunkenen nicht durchsucht, obwohl dies erforderlich gewesen wäre und weitere Fehler gemacht. Der Angeklagte bestreitet nicht, dass er den 29-Jährigen geschlagen hat. Er habe dem Betrunkenen einen „Handkantenschlag“ auf die Nase gegeben, weil der ihn beleidigt, bedroht, ihn ans Bein getreten und mit Blut bespuckt habe sowie „in meinen Oberkörper getaucht ist“. Auf Nachfragen des Vorsitzenden Richters Nicolas Häusler sagte der Angeklagte, Letzteres bedeute, dass der Betrunkene mit dem Kopf in die Nähe seines Oberkörpers gekommen sei, diesen aber nicht berührt habe. Er sei erstaunt gewesen, dass der Mann unmittelbar nach dem Schlag geblutet habe, so der Angeklagte. Nach diesem Schlag, den er bei der Polizei gelernt habe, würden normalerweise Getroffene nicht bluten. Laut Anklage hat er den 29-Jährigen zweimal geschlagen, weil der laut gewesen sei und sich beschwert habe, dass es zu lang dauere. Den dritten Schlag habe er ihm versetzt, weil der sich beleidigend geäußert habe. Häusler verwies darauf, dass es nicht nur Widersprüche zwischen seinen Angaben und denen der Bundespolizisten gibt, sondern auch einige Haßlocher Polizisten im bisherigen Verlauf des Verfahrens andere Angaben gemacht haben als ihr ehemaliger Dienstgruppenleiter. Der 29-Jährige hatte am Schöffengericht eindeutig gesagt, dass der Angeklagte ihn geschlagen habe – bei früheren Vernehmungen jedoch, es sei einer der Bundespolizisten gewesen. Der Angeklagte will noch in der Nacht einen Einsatzbericht geschrieben haben – der laut dem damaligen Leiter der Polizeiinspektion am nächsten Tag jedoch nicht vorlag. Am Schöffengericht war der 52-Jährige nicht deshalb freigesprochen worden, weil das Gericht von seiner Unschuld überzeugt gewesen war, sondern weil Zweifel an dessen Schuld bestanden. Nicht einfacher wird das Berufungsverfahren dadurch, dass Staatsanwalt Torleif Meinke und Rechtsanwalt Alexander Klein aus vielen Verfahren erbitterte Gegner sind und sich juristische Spitzfindigkeiten um die Ohren hauten. Von den vorgesehenen sieben Zeugen konnten letztlich nur zwei gehört werden. (ann)

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