Neustadt Nach Prozess: Sehnsucht nach Ruhe im Lambrechter Altenheim

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Kommt das Altenheim nun zur Ruhe?

Wie das Altenheim der Arbeiterwohlfahrt in Lambrecht mit den Mordfällen und Misshandlungen umgeht

Karla Kämmer, Sozialwissenschaftlerin und Beraterin, kannte das Seniorenheim in Lambrecht schon lange, bevor sie im Sommer 2016 gerufen wurde, um zusammen mit den Mitarbeitern aufzuarbeiten, was in dem Haus passiert war: zwei Morde, Misshandlungen, übelste Scherze. Kämmer hatte 2012 im Auftrag des Trägers die Zufriedenheit der Mitarbeiter in dem Heim untersucht. Schon damals, so erzählt sie, habe sie einen guten Eindruck von der Einrichtung gehabt. Dieser habe sich in den vergangenen zwei Jahren bestätigt. „Ich habe noch nie erlebt, dass mir mit so einer großen Offenheit begegnet wurde“, sagt sie.

"Die Leute waren schockiert"

110 Beschäftigte hat das Seniorenheim, Kämmer hat in der Anfangszeit mit allen ein Einzelgespräch geführt. „Die Leute waren schockiert“, sagt sie. Eine Frage, die sie häufig hörte: „Was haben wir falsch gemacht?“. Die Beraterin ist der Meinung: nichts. Den Äußerungen des Journalisten Gottlieb Schober, der nach der Urteilsverkündung im Fernsehinterview sagte, die Kontrollmechanismen hätten versagt, widerspricht sie mit deutlichen Worten: „Wir müssen damit leben, dass Übergriffe und Misshandlungen passieren können.“ Die Akzeptanz dieser Einsicht sei Grundvoraussetzung für Vorbeugung und Früherkennung. Schober habe im Übrigen nie Kontakt zu dem Heim gehabt.

"Kulturprozess" noch nicht abgeschlossen

Trotz allem ist viel in Gang gesetzt worden bei der Arbeiterwohlfahrt in den vergangenen zwei Jahren. Zwar hat es laut Kämmer schon vorher Gewaltprävention und Deeskalationstraining gegeben. An den Themen Früherkennung, Achtsamkeit und Wachheit sei aber intensiv weiter gearbeitet worden, und dieser Prozess, Kämmer spricht von einem Kulturprozess, sei auch noch nicht abgeschlossen. Die Beraterin geht davon aus, dass die Einrichtung in puncto Gewaltprävention inzwischen weiter als jedes andere Altenheim ist. Die Schulungskonzepte würden auch in den anderen Einrichtungen der Arbeiterwohlfahrt umgesetzt.

Ungezählte Gespräche

Was den Mitarbeitern geholfen habe, sei das Verhalten der Angehörigen gewesen. „Sie haben sich hinter die Beschäftigten gestellt.“ Um die Bewohner selbst und ihre Angehörigen habe sich in erster Linie die Heimleitung gekümmert, sagte eine Sprecherin der Awo. In ungezählten Gesprächen, teilweise kurze auf dem Gang, teilweise lange in den Büros, sei schrittweise das Vertrauen wieder aufgebaut beziehungsweise gestärkt worden. Kämmer und ihr Team hätten dabei durch die so genannte Mimik-Resonanz Unterstützung gegeben. Dabei geht es um ein Verfahren, mit dem nonverbale Signale entschlüsselt werden können. Darüber hinaus habe ein Pfarrer als Ombudsmann fungiert. Neben verstärkten Schulungen zu Themen wie Achtsamkeit und Früherkennung hat es auch konkrete organisatorische Änderungen im Lambrechter Seniorenheim gegeben. So ist eine „sanfte Rotation“ von Mitarbeitern eingeführt worden, jeder arbeitet also auch einmal auf einer anderen Station. „Das war für die Mitarbeiter nicht einfach“, sagt Kämmer. Denn eigentlich werde ja gerade ein möglichst hohes Maß an Kontinuität in den Beziehungen zwischen Pflegern und Bewohnern angestrebt. Andererseits: „Auf diese Weise ist mehr Austausch möglich, jedes Team arbeitet ja etwas anders.“

Voll belegt, mit Warteliste

Auf eine weitere Änderung hat die Arbeiterwohlfahrt bereits in einer ersten Stellungnahme hingewiesen: das Verbot des Gebrauchs privater Handys während der Arbeitszeit. Hintergrund ist, dass der Chat per Handy bei den Verbrechen des verurteilten Tätertrios eine große Rolle spielte. Kämmer macht allerdings auch deutlich, dass die Pflege eine Arbeit sei, bei der es ohne Vertrauen nicht gehe. Im Lambrechter Haus gebe es nach all dem Medienrummel eine „tiefe Sehnsucht nach Ruhe“. Zum Schutz der Mitarbeiter seien derzeit auch keine Medienvertreter im Haus selbst erwünscht. Das Haus ist laut Awo voll belegt, es gebe eine Warteliste.

Karla Kämmer.
Karla Kämmer.
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