Neustadt Leise Klänge aus ferner Zeit

Kirrweiler. Das hatten sicher die wenigsten Zuhörer in der vollbesetzten Kirrweilerer Marienkapelle je gehört: Der seit kurzem in Neustadt lebende Alte-Musik-Spezialist Miklós Spányi spielte am Samstag in der Reihe der „Kirrweilerer Kammerkonzerte“ auf dem Clavichord Stücke von Carl Philipp Emanuel Bach, die dieser eigens für dieses historische Tasteninstrument komponiert hatte.

Carl Philipp Emanuel Bach, zu seinen Lebzeiten berühmter als sein Vater Johann Sebastian, wurde im März diesen Jahres 300 Jahre alt – ein guter Grund, sich mit seiner Musik ausführlicher auseinander zu setzen. Miklós Spányi, in Ungarn geborener Organist und Cembalist, kennt dessen Werk sehr genau, er hat das gesamte Klavierwerk Carl Philipp Emanuel Bachs auf CD eingespielt. Nach Jahren in Finnland unterrichtet er nun an der Musikhochschule in Mannheim und wohnt im Schöntal. Das Lieblingsinstrument Carl Philipp Emanuel Bachs war das Clavichord, ein Tasteninstrument, das selbst zu seiner Blütezeit im 17. und 18. Jahrhundert üblicherweise seinen Platz nicht im Konzertsaal hatte, sondern im heimischen Salon oder Wohnzimmer. Für einen größeren Rahmen ist es schlicht zu leise. Die barocke, kleine Marienkapelle war also mit ihrer Akustik ein idealer Rahmen für diese Musik. „Clavier“ nannte man das Clavichord, bis es als Hausmusikinstrument vom heutigen, „echten“ Klavier ersetzt wurde, und vier „Clavierstücke“ Carl Philipp Emanuel Bachs bildeten das Herzstück des Konzerts, gerahmt von je einer Sonate desselben Komponisten für Cembalo. Dazwischen hatte Miklós Spányi so einiges von seinem Lieblingskomponisten und dessen Lieblingsinstrument zu berichten, so dass man am Ende nicht nur bestens unterhalten, sondern auch um einiges Wissen bereichert die Kapelle verließ. Eine Cembalo-Sonate a-Moll in drei Sätzen eröffnete das Konzert und zeigte exemplarisch, was es mit dem „empfindsamen Stil“ und der Melodik des Bach-Sohnes auf sich hatte. Der langsame Satz in der Mitte schien melancholische Gefühle zu transportieren, im Allegro-Satz am Anfang und dem Presto-Satz am Ende fiel auf, dass immer wieder der Melodiebogen auf dem vorletzten Ton anzuhalten schien – und dann fing jeweils etwas ganz Neues an. An den leisen Ton des Clavichord musste man sich erst gewöhnen, vielleicht sind wir doch heute dem konzentrierten Zuhören ziemlich entwöhnt. Ein zarter, intimer Saitenklang ohne jeden Nachhall war das, was Spányi dem modernen Nachbau eines historischen Instruments, das etwa die Größe eines schmalen Schreibtisches hat, entlockte. Ein wenig klang es, wie wenn man Musik aus der Ferne hört. Es waren zwei dreisätzige Sonaten aus Sammelwerken Bachs „für Kenner und Liebhaber“, wie er selbst sie titulierte, und eine sonatenartige Zusammenstellung aus „kurze und leichte Clavierstücke mit veränderten Reprisen“. Elegante „Hausmusik“ aus einer Zeit, in der die tonangebende Gesellschaft eine exzellente musikalische Bildung hatte. Manches Stück mag auch den Preußenkönig Friedrich II. erfreut haben, der den Bach-Sohn lange als Cembalisten beschäftigte. Eine charakteristische Möglichkeit der Tonbeeinflussung ist die „Bebung“ durch Ändern des Drucks auf die Saite, dem Vibrato bei der Violine vergleichbar, aber eben viel leiser. Interessanter Nebeneffekt: Das Umblättern der Seiten klang wie ein Schuss, und das Knarren der Kirchenbänke konnte einen die Wände hoch treiben. C.P.E. Bach liebte sein Silbermann-Clavichord sehr, warum er es 1791 verkaufte, weiß man nicht. Er schickte es zum neuen Besitzer mit einer Komposition, einem Rondo, und einer Art Abschiedsbrief. Das Rondo bildete den Abschluss des Clavichord-Teils des Konzerts. Danach klang das letzte Stück, eine Sonate in d-Moll für Cembalo, fast unnatürlich laut: drei betont rhythmische Sätze, der mittlere langsam sehr akzentuiert, der letzte, Presto, sehr kraftvoll und wuchtig.

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