Neustadt „Hier wird man gerne alt“

Gutes Wetter und fast nur gute Laune: „Redaktion vor Ort“ am Alten Rathaus.
Gutes Wetter und fast nur gute Laune: »Redaktion vor Ort« am Alten Rathaus.

Im Zusammenhang mit der Baustelle Dammstraße stört Volker Eichert, der in der Weinstraße wohnt, vor allem das rücksichtslose Verhalten der Autofahrer, das er täglich mitbekomme. „Wenn da ein Bus entgegenkommt, wird einfach keine Vorfahrt gewährt“, ärgert sich der fast 70-Jährige. Und noch schlimmer: Meist seien es Ortsansässige, die sich so ignorant verhielten. Trotz dieser momentanen Schwachstelle sei er aber schon sehr zufrieden mit seinem Heimatort: „Hier wird man gerne alt.“ Ähnlich äußert sich Rita Stachel aus der Weinstraße. Sie freue sich, dass die Stadt bei den Umleitungsschildern nachgebessert hat. Doch fehle ein Hinweis für Auswärtige aus Richtung A 65: „Die Ortsfremden irren hier ziellos durch den Ort.“ Ihr Vorschlag: ein Umleitungsschild in Höhe des Bahnübergangs kurz vorm Hambacher Kreuz. Zudem sollte das zu hohe Tempo in der Mittelhambacher Straße endlich gedrosselt werden: „Da appelliere ich an die Vernunft der Autofahrer.“ Wenn das nicht helfe, müsse mehr kontrolliert werden. Einen Hinweis hat die Hambacherin von der Winzergenossenschaft aufgeschnappt: Diese müsse besser ausgeschildert werden. Roland Korz wohnt in der Walter-Bruch-Straße auf der Hambacher Höhe und will dringend loswerden: „In Hambach fehlt ein fußläufig zu erreichendes Café!“ Kümmere sich niemand darum, werde er einfach selbst ein Café eröffnen, witzelt er. Ansonsten sei er aber sehr zufrieden mit Hambach, „vor allem die Weinfeste sind natürlich schön“. Derweil fühlt sich Wilhelm Ernst vom Café „Zur Almel“ etwas „abgehängt“. Dennoch wirbt er gern für Hambach: „Die toskanische Lage zwischen Weinbergen, das Schloss und vieles mehr machen Hambach zum Anziehungspunkt.“ Gut sei, dass das historische Gasthaus „Engel“ restauriert werde: Dort habe er früher im Obergeschoss immer getanzt. Als „eigentlich kein richtiger Hambacher“ gibt sich Steffen Bohrmann zu erkennen. Er wohnt seit 1993 auf der Hambacher Höhe, ist aber mit dem Theater- und Kulturverein sowie dem „Theater in der Kurve“ durch ehrenamtliches Engagement eng verbunden. Für Hambach ist er voll des Lobes: „So einen tollen Zusammenhalt habe ich noch nirgends sonst erlebt.“ Die gemeinsamen Aktivitäten und die Organisation der Feste seien bemerkenswert. Wünschen würde er sich einen noch engeren Austausch zwischen Ortsverwaltung und Schloss-Stiftung – wegen der engen Bindung der Hambacher zum Schloss. Recht aufgebracht berichtet Lucia Spengler, was sie gerade auf der Baustelle Dammstraße erlebt habe: „Es waren heute gerade mal drei Arbeiter aktiv, und die haben jetzt auch um 16 Uhr schon Schluss gemacht.“ Sie ist der Meinung, dass mehr Personal eingesetzt werden müsste, damit die Baustelle nicht so lange dauert und nicht bis Ende 2018 solche Umwege notwendig seien. Auch über die Berichterstattung über Autofahrer, die die Umleitung ignorierten, hat sie sich geärgert: Viele Hambacher hätten die Regeln befolgt, würden aber mit den schwarzen Schafen in einen Topf geworfen, so ihr Eindruck. Nicht nur Hambacher kamen zur RHEINPFALZ-Aktion. Das Ehepaar Takahashi aus Japan gehörte wohl zu den Besuchern mit der weitesten Anreise. Sie leben in Chiba nahe Tokio und besuchen gerade ihren Freund Ferdinand Albert: Der Hambacher war 1995 ihr Deutschlehrer am Goethe-Institut in Tokio. „Tokio mit seinen Wolkenkratzern ist gut zum Arbeiten, Hambach ist gut zum Erholen“ meint Takashi Takahashi. Der Ur-Hambacher Ernst Poh (90) weiß die Lebensqualität seines Heimatorts zu schätzen: „Heutzutage ist alles sauber, wir haben Schule und Kindergarten, gute Straßen, Abwasserkanäle, und die Häuser sind meist schön hergerichtet.“ Manches sei früher aber besser geregelt gewesen: „Es gab mehrere Gemeindeschwestern, die Kranke versorgen konnten und sogar impften, da brauchte man oft gar keinen Arzt.“ Von Besuchern wird Heinz-Gerd Küster oft nach einem Fußweg zum Schloss gefragt, der für Kinderwagen geeignet sei. Leider gebe es diesen ebenso wenig wie nette Einkehrmöglichkeiten am Mittag. Es müsste mehr geschehen, um den Ort für Touristen attraktiver zu machen, meint der Hambacher. Dazu zählt er auch ein Tempolimit von 30 km/h in der alten Weinstraße, „besser noch 7 km/h und den Fußgängern und Radfahrern vorbehalten“. Er fände es auch gut, wenn die Einbahnstraße von St. Jakobus zum Horstweg für Radfahrer entgegengesetzt freigegeben würde. Dem widerspricht Helmut Pauly: „Das wäre viel zu gefährlich, die Straße ist viel zu schmal.“ Der Neu-Hambacher ist unzufrieden mit dem Baustellenmanagement der Stadt: „Ob es darum geht, wie man die Bauarbeiten ankündigt, wie man die Fahralternativen bekanntmacht, wie die Umleitungen ausgeschildert werden, das könnte alles viel besser laufen.“ Nachdem bei der Ausschilderung nun nachgebessert wurde, sieht er aber auch eine gewisse Chance in der Baustelle: „Hambach wird nun zu einer Oase der Ruhe – eine Chance für den Ort, wieder mehr Gemeinsinn zu entwickeln und das Dorfleben zu pflegen.“ Generell sieht er Nachholbedarf bei einer verbesserten Infrastruktur – ohne Auto sei man verloren. Das Erscheinungsbild Hambachs ist auch für Hiltrud Wilhelm ein Punkt, an dem etwas geändert werden müsste: „Kaum jemand kehrt mehr den Bürgersteig oder schmückt die Fenster mit Blumen.“ Trist und leer sei der Anblick der Straßen, wenn sie durch den Ort fahre. Da dafür nicht die Stadt sorgen könne, müsse jeder selbst aktiv werden. So hat sie vor Ostern mit ihrer Familie Kränze gewunden und Kirche und Brunnen geschmückt. Weiteren Verbesserungsbedarf sieht Wilhelm beim Zustand des Kirchbergwegs. „Wenn der Weg in Ordnung wäre und ihn nicht die Hecken fast zugewuchert hätten, könnte das so ein schöner Spazierweg für alle sein.“ Darin weiß sie sich einig mit Rolf Wamsganz aus dem Römerweg: „Er könnte einer der schönsten Panoramawege sein.“ Nicht der Weg, sondern die angrenzenden Grundstücke seien zugewuchert, erläutert Ortsvorsteherin Gerda Bolz. Die Eigentumsverhältnisse seien aber kompliziert, die Besitzer könnten nicht zur Pflege gezwungen werden. Ein früheres Beweidungsprojekt sei ausgelaufen. Möglicherweise werde die Situation besser, wenn das eine oder andere Grundstück wieder bewirtschaftet werden könnte. Es gäbe bereits interessierte Winzer. Mit dem Rad kommt Anja Fecht ans Alte Rathaus und freut sich, dass es jetzt endlich an der Dammstraße einen Fahrradweg gibt – der eigentlich bis zum Hauptbahnhof fortgeführt werden könnte. Selbst im Theater- und Kulturförderverein aktiv, ist sie begeistert von der guten Zusammenarbeit aller Vereine in Hambach „und auch mit unseren Winzern“. Indes sei es für Hambacher ohne Auto schwierig, sich mit Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Läuft alles nach Plan, öffnet das Freibad am 19. Mai, informiert Michael Bolz, Vorsitzender des Fördervereins. Indes bestehe die Gefahr, dass die Außenanlagen bis dahin nicht fertig seien, wenn sich nicht weitere ehrenamtliche Helfer fänden: Von Jahr zu Jahr würden die aktiven Unterstützer weniger. „Wenn die Anlage nicht rechtzeitig in Ordnung gebracht werden kann, können wir erst später öffnen. Wenn nicht genügend Freiwillige für die Kasse da sind, müssen wir eventuell den einen oder anderen Tag geschlossen lassen.“ Die Hambacher hätten einst hart für den Erhalt des Bads gekämpft – jetzt müssten sie Einsatz zeigen, damit es auch in Zukunft bestehen bleiben könne. Doris Schäfer – wer kennt sie nicht in Hambach? Schließlich arbeitet sie seit 19 Jahren für die Ortsverwaltung. „Ich hab’ den schönsten Arbeitsplatz Hambachs“, sagt sie lachend und zeigt auf das Alte Rathaus. Ihre Devise: Den Menschen das Gefühl geben, nicht „aufs Amt zu müssen“, sondern in ihr eine gute Ansprechpartnerin für alle Belange zu haben. Damit scheint es zu klappen. Die Ortsvorsteherin sagt: „Die schlimmste Zeit im Jahr ist der Urlaub von Doris!“ Ob Heinz Störmer schon mal Kontakt zu Doris Schäfer hatte, ist nicht bekannt. Indes wohnt der Südpfälzer seit der Pensionierung vor knapp 20 Jahren in Hambach und hat den Umzug noch nie bereut. Auf das Ende der Baustellenzeit freut er sich trotzdem, auch wenn er bezweifelt, dass es damit bis Ende 2018 klappt. Mit seiner Frau zusammen engagiert er sich bei der Pauluskirchengemeinde. Überzeugte Hambacher sind auch Siegmund und Erika Kanzler, die sich wegen des 18. Geburtstags ihrer Enkelin am Mittwoch telefonisch meldeten. Beide engagieren sich vielfältig, Siegmund Kanzler unter anderem in der Redaktion des Journals „Die Hambacher“. Dass seine Redaktionskollegin Uta Müller direkt vor Ort ist, versteht sich. Und sie hat natürlich auch die Kamera in der Hand. Angeregt unterhält sich Gabriele Stahl derweil mit Zita Gutting über die Situation der Schulkinder angesichts der Baustelle Dammstraße. Stahl, bis vor kurzem Konrektorin der Realschule plus Maikammer-Hambach in Hambach, berichtet von einem ganz neuen Aspekt: Fünft- und Sechstklässler, die nach Schulende am Nachmittag mit der Buslinie zum Schloss nach Hause fahren, müssen dazu bis zum Hambacher Winzer laufen – und der Unterricht muss daher früher enden. Für die Kinder eine tolle Sache, für den Lehrplan weniger. Spontane, vor allem kreative Ideen einbringen und umsetzen, ist das Ding von Renate Reis. Die Hambacherin engagiert sich seit Jahrzehnten, hat jetzt, im Ruhestand, wieder den Frühlingsmarkt übernommen: „Da gehört jemand aus dem Ort dazu.“ Ostereier, die sie in 30 Jahren selbst gestaltet hat, schmücken noch die Vitrine im Alten Rathaus. Diese zu nutzen, damit sich Hambacher Vereine und Organisationen präsentieren können, will sie der Ortsvorsteherin als jüngste Idee vorschlagen. Gleich mehrere Hambacher ärgern sich über einen Fahrzeughalter, der sein Auto stets in der Eichstraße parke – und zwar so nah zur Dammstraße, dass das für Ein- und Abbieger gefährlich sei. Das Ordnungsamt sollte kontrollieren, ob die fünf Meter Mindestabstand eingehalten werden, fordern sie, glauben es selbst aber nicht. Denn: Das Auto stehe stets vor dem Parkerlaubnisschild und damit außerhalb der Parkzone, auch wenn sie nicht mit einer Linie markiert sei. Ursula Utting-Metzger ist mit dem achtjährigen Youssef gekommen. Der Syrer lebt mit Eltern und Schwester in einer Wohnung im Haus der Hambacherin. Daneben betreut sie eine weitere Flüchtlingsfamilie, sechsköpfig, „mit vier ebenso gut erzogenen Kindern“, die aber in einer zu kleinen Wohnung lebten. Sie würde sich freuen, wenn sich in Hambach eine größere finden würde. Auch ihre weiteren Wünsche versieht sie mit einem „Darüber freue ich mich“: Wenn Autos auf spielende Kinder Rücksicht nehmen, wenn die Weinstraße nahe der Jakobuskirche verkehrsberuhigt wird, wenn in die Brunnenapotheke in Zusammenarbeit mit den Behörden ein genossenschaftlich geführtes Café einziehen kann, wenn im Journal „Die Hambacher“ auch nach vorne geblickt wird. Und Youssef? Er freut sich einfach über den Spielplatz Ecke Seminargarten/Römerweg.

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