Neustadt Gelungener Lückenschluss

Beim Einbiegen von der Kellereistraße in die Hintergasse fällt der Fachwerkbau des sogenannten Gerberhauses sofort ins Auge. Es steht zwar im ehemaligen Lauerviertel – Lauer ist eine andere Bezeichnung für Gerber –, war aber, wie sich am Schlussstein des Torbogens erweist, das Haus eines Küfers. Das Gerberhaus ist derzeit eingerüstet, Holz und Gefache werden gestrichen. Trotz einer wenig fachgerechten Sanierung in den 1980er Jahren wirkt es von außen insgesamt wie in seiner Entstehungszeit um 1600. Nicht renoviert werden muss das giebelständige Renaissance-Fachwerkhaus gegenüber auf der linken Seite, ein Kleinod unter den Neustadter Fachwerkhäusern. Dann folgt eine Kuriosität: eine große Lücke im Straßenbild, ein kürzlich gepflasterter Parkplatz mit einem noch nicht ganz fertig sanierten Haus am hinteren Abschluss und der frisch verputzen und gestrichenen Seitenfläche des Hauses Nummer 7. An dessen anderer Seite ein ähnliches Bild: Links und rechts stehen nur noch die Hinterhäuser, jene, die direkt an der Straße lagen, fehlen. Indes könnten diese Lücken irgendwann einmal geschlossen werden. Deshalb dürfen in dem schmalen Haus Nummer 7, das kaum breiter als sein denkmalgeschützter Torbogen ist, keine seitlichen Fenster eingebaut werden. Die Sicht auf den Parkplatz ist auch deswegen kurios, weil die Rückseiten der Hinterhäuser in der Mittelgasse zu sehen sind. Da nicht saniert, zeigen sie, wie früher Fachwerkhäuser in einfachster Form gebaut wurden und wie große Teile der Altstadt gewirkt haben müssen, bevor sie als „altes Geraffel“ abgerissen wurden. Gegenüber steht die Nummer 12, das älteste Haus in der Hintergasse. Es stammt aus dem Mittelalter, sieht aber nach der gerade abgeschlossenen Sanierung und dem Umbau in Einzelwohnungen nicht mehr mittelalterlich aus. Im Lauf der Zeit gab es viele Veränderungen, heute wirkt es wie ein Barockgebäude. Durch die Sanierung wurde ein jahrelanger Verfall und Leerstand beendet. Leider, so Denkmalpfleger Stefan Ulrich, habe wegen des Brandschutzes nicht alles, was historisch sehenswert sei, sichtbar bleiben können. Eine Barocktreppe sei erhalten. Das Erscheinungsbild, das bei Haus Nummer 12 verloren gegangen ist, bietet das spätgotische Haus Nummer 19 mit dem charakteristischen Halbwalmdach. Dort hatte die Malerin Christel Abresch Atelier und Wohnung. Kürzlich renoviert wurde die Hofanlage mit der Weinstube „Backblech“. Mit Farben – grauen Fachwerkbalken und resedagrünem Tor – die den Denkmalschutzvorgaben entsprechen. Das Nachbarhaus stand lange leer, aber inzwischen wird dort gebaut. Bei dem schlichten Bau aus dem 19. Jahrhundert ist eine Aufwertung zu erwarten. Dagegen ist das Haus mit dem „Novalis“ nichts Einfaches. Die Füllhörner am Torbogen, der krönende Pinienzapfen, die ausgearbeiteten Ecken zeigen, dass der Erbauer kein Fachwerkhaus aus Holz, Stroh und Lehm nötig hatte: Uhrmacher Jacob Möllinger war reich. Gegenüber ist zwar kürzlich auch ein Haus verkauft worden, von einer Verbesserung ist aber (noch) nichts zu merken. Ein weiteres Anwesen scheint ebenso darauf zu warten. Dort gibt es seit Längerem Anstrichproben an der Fassade, die auf ein ansprechendes Bild hoffen lassen. Im Siebenherrenhof (Nummer 25 bis 33) ist eines der rückwärtigen Häuser, das eine Weile leer stand, wieder bewohnt. Besonders freut den Spaziergänger der große Neubau des Hauses Nummer 41. Wurde damit doch eine Lücke, die ein zurückgesetzter kleiner Hof gebildet hatte, geschlossen. Nun ist das Straßenbild wieder einheitlicher. Insgesamt wirken die neuen oder restaurierten Häuser zum Teil noch etwas kahl. Klappläden und die ein oder andere Weinrebe könnten helfen. Und es tut sich weiterhin etwas in der Hintergasse: Neuerdings ist das Haus Nummer 10, dem Parkplatz gegenüber, zu verkaufen. Denkmalpfleger Ulrich zufolge dürfte es verputztes Fachwerk sein mit historischer Bausubstanz. Auch Ladenleerstand scheint in der Gasse kein Thema zu sein. So soll es bereits Interessenten für den Laden in der Nummer 12 geben, der gerade ausgebaut wird, und neben dem Café Schwarze Katz’ hat sich soeben ein kleines Textilfachgeschäft eingerichtet. Gentrifizierung, also das Entstehen von Luxuswohnungen und die Verdrängung der bisherigen Bewohner, weil die Mieten zu hoch sind – davon kann in der Hintergasse wahrlich keine Rede sein.

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