Neustadt „Ein für allemal beenden“

Das ehemalige Gemeinderatsmitglied Karin Hurrle wurde gestern in einem Strafverfahren am Amtsgericht Neustadt zu einer Haftstrafe von fünf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurden, verurteilt. Außerdem muss die 65-Jährige 1000 Euro an den Naturschutzbund zahlen. Verurteilt wurde Hurrle wegen Verleumdung, öffentlicher, übler Nachrede und falscher Verdächtigung jeweils in zwei Fällen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit einer Überraschung begann der gestrige dritte Verhandlungstag. Die Angeklagte ließ in einer von ihrem Pflichtverteidiger Ernst-Günter Claas vorgetragenen Erklärung mitteilen, dass sie die Äußerungen, wegen denen sie angeklagt ist, „mit dem Ausdruck des Bedauerns zurücknehme und künftighin nicht mehr wiederholen oder anderweitig verbreiten werde“. Sie habe die „Behauptungen und Darstellungen“ bisher „wohl nicht ausreichend genug juristisch betrachtet und überprüft“. Sie habe sich auf „dringendes Anraten“ ihrer Ärzte entschlossen, den gesamten Themenkomplex „ein für allemal zu beenden“. Deshalb habe sie alle Anzeigen, die sie gegen verschiedene Personen gestellt hat, zurückgenommen. Hurrle hatte mehrfach behauptet, dass im Badepark Mitarbeiter mit Kameras überwacht worden seien, dass gegen den Geschäftsführer der Gemeindewerke Korruptionsvorwürfe offen seien und dass der frühere Haßlocher Bürgermeister Hans-Ulrich Ihlenfeld vor Gericht eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben habe. Hurrle habe diese Äußerungen öffentlich verbreitet, obwohl sie wusste, dass sie nicht richtig sind, waren sich Staatsanwalt Arno Lenz in seinem Plädoyer und Richterin Julia Berg in ihrer Urteilsbegründung einig. Das sei durch die Aussagen mehrerer Zeugen belegt. Die Anwälte von Hurrle widersprachen dem nicht. Während Lenz alle diese Äußerungen als Verleumdung einstufte, ging Berg bei den Äußerungen über die Kameras zugunsten der Angeklagten nur von einer öffentlichen üblen Nachrede aus, da ihr wohl nicht bewusst gewesen sei, dass sie falsch handle. Als falsche Verdächtigung werteten die Juristen, dass Hurrle den Leiter der Haßlocher Gemeindewerke des Betrugs bezichtigt hat. Diesen Vorwurf hatte sie Manfred Schlosser gemacht, weil dieser in mehreren juristischen Verfahren gesagt hat, dass der Förderverein Offener Kanal als Gegenleistung für 500 Euro, die der Verein von den Werken bekommen hat, einen Film über den Badepark drehen sollte. Hurrle, seinerzeit Vorsitzende dieses Vereins, hatte bestritten, dass diese Vereinbarung getroffen wurde. Diese Vereinbarung habe es gegeben, wie aus den Aussagen mehrerer Zeugen klar hervorgehe, so die Juristen. Deshalb habe Schlosser die Wahrheit gesagt und Hurrle ihn falsch verdächtigt, als sie ihm Betrug unterstellte. Verurteilt wurde sie außerdem, weil sie einen ihrer früheren Rechtsanwälte in einer Strafanzeige falsch verdächtigt hat. Hurrle hatte behauptet, sie habe den Anwalt nicht beauftragt gehabt, deshalb sei dessen Honorarforderung von 6600 Euro nicht in Ordnung. Aus einem Schreiben ans Landgericht Frankenthal gehe eindeutig hervor, dass Hurrle den Anwalt beauftragt hatte, so Berg und Lenz. Eingestellt wurde der Vorwurf, dass Hurrle eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Laut Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Iris Schick ist die Angeklagte strafrechtlich voll verantwortlich. „Objektiv“ sei das Verhalten von Hurrle „nicht akzeptabel“, so Rechtsanwalt Claas. Doch müsse man sich die Frage stellen, ob sie bewusst und absichtlich so gehandelt habe. Anfänglicher „Krimskrams“ sei „hochgeschaukelt“ worden, und daraus habe sich ein „Selbstläufer“ entwickelt. Dazu hätten alle Beteiligten beigetragen, so Claas. Rechtsanwalt Michael Schinkel verwies darauf, dass seine Mandantin eine „hochengagierte“ und „hochangesehene“ Person gewesen sei. Sie habe sich wohl „vor den falschen Karren spannen lassen“. Nun sei sie finanziell und gesundheitlich ruiniert sowie gesellschaftlich stigmatisiert. Beide Anwälte plädierten für eine mildere Strafe als die von Lenz geforderten zehn Monate Haft zur Bewährung. Jörg Smid, Anwalt des als Nebenkläger auftretenden Werke-Geschäftsführers Schlosser, plädierte dagegen für eine höhere Strafe. Hurrle beschädige durch ihre falschen Behauptungen seit Jahren das Ansehen von Schlosser und das der Gemeindewerke. Eine Freiheitsstrafe sei erforderlich, um der Angeklagten „das Unrecht ihrer Taten vor Augen zu führen“, sagte Richterin Berg. Die Strafe könne Bewährung ausgesetzt werden, unter anderem weil Hurrle nicht vorbestraft war. Berg setzte die Bewährungszeit auf drei Jahre fest. Das bedeutet, dass Hurrle die fünf Monate absitzen müsste, wenn sie in den kommenden drei Jahren erneut eine Straftat begehen würde. (ann)

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