Neustadt Der Engländer fragt sich, wo die Leiche bleibt

Witzig, eloquent, kurzweilig: Andreas Hock bei seiner Lesung im „Wintergarten“.
Witzig, eloquent, kurzweilig: Andreas Hock bei seiner Lesung im »Wintergarten«.

«Neustadt». Die deutsche Sprache hat schon vieles überstanden – auch schon viele Sprachkritiker. Was nicht heißen soll, dass deren Ausführungen im Einzelfall nicht durchaus amüsant und in manchem vielleicht sogar sehr zutreffend, bedenkenswert oder gar besorgniserregend sein können, wie am Dienstag der Auftritt Andreas Hocks im Neustadter Panorama-Hotel bewies.

Hock (42), erklärter Nürnberger und von Haus aus Journalist, landete 2014 mit seinem Buch „Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann?“ einen Bestseller – man verzeihe den Anglizismus –, der mittlerweile in siebter Auflage vorliegt und demnächst eine Fortsetzung erfährt. Seine humorvolle Abrechnung mit Anglizismus-Jüngern, Sprachpanschern und Wortverdrehern stellte er nun auf Einladung der FDP-nahen „Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“ auch in Neustadt vor: witzig, eloquent, kurzweilig, wie man es von einem Medienprofi, der schon als Pressesprecher für die CSU und letzter Chefredakteur der Nürnberger Boulevardzeitung „AZ/8-Uhr-Blatt“ amtete, nicht anders erwartet. Allerdings hat er sich – das zumindest ist der Eindruck des Vortrags im von der Abendsonne durchfluteten „Wintergarten“ des Panorama-Hotels – vielleicht doch ein bisschen zu viele Themen auf einmal vorgenommen, von denen auch nicht alle wirklich in erster Linie mit Sprache zu tun haben. Da bricht er – wohl in der Annahme, das dass in der Pfalz unerlässlich sei – eine Lanze für die Dialekte, zitiert ein paar Stilblüten des gebürtigen Neustadters Mario Basler, outet sich als Spießer, „weil ich nicht jeden Quatsch bei Facebook und Twitter mitmache“, und streut auch immer wieder wunderbare Bonmots ein wie „Es wird gedichtet, aber nicht mehr gedacht“ oder „Die drei schwierigsten Wörter der deutschen Sprache sind Bitte, Danke und Entschuldigung“. Auch ein Verweis auf den angeblich schrumpfenden Grundwortschatz der Deutschen fehlt hier nicht. Richtig los mit der Lesung geht es dann mit einem humorvollen Gedicht von Christian Morgenstern, „Der Werwolf“, 1905 in der „Galgenlieder“-Sammlung veröffentlicht. Wer nun allerdings eine angesichts von Wes-, Wem- und Wenwolf durchaus naheliegende Elegie auf das Verschwinden des Genitivs oder anderer Fälle erwartet hatte, sah sich getäuscht. Stattdessen folgte umstandslos ein Plädoyer für mehr Kreativität bei der Auswahl des Lektürestoffs im Deutschunterricht, wobei man allerdings einwenden kann, dass mit Karl May – für Hock das Paradebeispiel eines zu Unrecht verkannten Autors – heute kein Jugendlicher mehr hinterm Ofen hervorzulocken ist, während umgekehrt inzwischen ja längst auch anspruchsvolle Jugendromane wie Wolfgang Herrndorfs „Tschick“ Einzug in den Schulkanon gehalten haben. Doch ehe man mit diesem Gedanken zu Ende ist, hat Hock schon einen neuen Gegenstand gefunden, dem er kritisch zu Leibe rücken will: die Sprache der Bürokraten, die Unkraut zu „Spontanvegetation“ und Drehsperren zu „Personenvereinzelungseinrichtungen“ umtituliert. Zu wirklich großer Form läuft der Sprachkritiker aus Franken allerdings erst bei seiner Anglizismen-Schelte auf. Vieles, was er hier an haarsträubenden Beispielen nennt, führt beim Publikum zu wahren Lachsalven. Da geht es um Begriffe, die englisch klingen, obwohl sie es gar nicht sind - vom Showmaster über Partnerlook, Barkeeper, Oldtimer, Handy und Werbespot bis hin zum berühmt-berüchtigten „Public Viewing“, worunter man in der englischsprachigen Welt eben keine öffentliche Liveübertragung von Sportereignissen versteht, sondern eine aufgebahrte Leiche. Noch besser wird es beim „Businessdeutsch der Aufschneider und Wichtigtuer“, der Welle von Angeber-Anglizismen, die Hock in den 80er Jahren in die deutschen Büros schwappen sieht – mit dem berühmten Facility Manager als Krönung, der früher einfach Hausmeister hieß. Ein eigenes Kapitel sind dem Nürnberger schließlich auch die englischsprachigen Werbeslogans wie das hirnrissige „Unbox your phone“ von Samsung wert. Nach seiner Erkenntnis sind heute 50 Prozent aller Werbesprüche in Deutschland nicht mehr in Deutsch gehalten. Ob das stimmt? Seinem Fazit „Die Werbung verkauft uns für blöd“ wird man indes zustimmen können. Einzuwenden wäre da aber, dass der Gebrauch des Englischen natürlich auch ganz schlicht etwas mit kulturellen Vorbildern zu tun hat. Und das war schon immer so, wie der Einfluss des Französischen im 17. und 18. Jahrhundert beweist, den Hock in seinem Rundumschlag auch noch kurz erwähnt (und kritisiert). Auch die orthografische Anarchie in den 700 Millionen Kurznachrichten, die jeden Tag in Deutschland versendet werden, streift der Autor noch – ebenso wie die Emoticons, die für ihn anscheinend zwangsläufig den Untergang der Schriftkultur mit sich bringen. Den Unsinn der gendergerechten Sprache, in der Feuerwehrmänner nur noch Einsatzkräfte der Feuerwehr sein dürfen, hat er sich indes für die Fortsetzung seines Buches aufgespart, die ab 11. September unter dem Titel „Wenn du mich frägst, macht das in keinster Weise Sinn“ im Handel erscheint. Ganz zum Schluss gibt’s dann noch einen der unsäglichen Liedtexte des deutschen Gangsta-Rap-Verschnitts Bushido. Spätestens der ist dann aber nach unserem Dafürhalten kein Problem der Sprache mehr, sondern der guten Sitten. Lesezeichen Andreas Hock: Bin ich denn der Einzigste hier, wo Deutsch kann? Über den Niedergang unserer Sprache. Riva-Verlag, Taschenbuch, 192 Seiten, 9,99 Euro.

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