Neustadt Das Lebenshilfe-Magazin: Neue Blickwinkel durch den „Blickpunkt“

 Redaktionssitzung für die neue Ausgabe: (von links) Thomas Münch, Nicole Sowa, Maria Karbach, Thorsten Schrenck, Thomas Reger u
Redaktionssitzung für die neue Ausgabe: (von links) Thomas Münch, Nicole Sowa, Maria Karbach, Thorsten Schrenck, Thomas Reger und Abdul Özer.

Ein Magazin von der Lebenshilfe für die Lebenshilfe: Im „Blickpunkt“ bekommen Menschen mit Beeinträchtigungen die Möglichkeit, selbst über ihren Alltag zu berichten. Im 60. Jahr des Bestehens der Lebenshilfe Neustadt ist eine besondere Ausgabe geplant.

Auf dem großen Tisch der Redaktion verteilt Nicole Sowa Fotos an die Gruppe. Sie betreut die Arbeit der Zeitungsredaktion im Georg-Jungmann-Haus der Lebenshilfe. Schon seit 2019 bringt die Lebenshilfe Neustadt zweimal im Jahr die Zeitschrift „Blickpunkt“ heraus. Die Gruppe im Georg-Jungmann-Haus ist für die Rubrik „Wohnen“ in der Zeitschrift verantwortlich. Neben vielen weiteren sind auch Fotos in schwarz-weiß auf dem Tisch ausgebreitet. Thomas Münch erinnert sich: „Auf diesem Foto ist der erste Bus der Lebenshilfe zu sehen. Mein Vater war in dieser Zeit schon bei der Lebenshilfe dabei.“

Münch ist selbst einer der Bewohner des Wohnheims und aktives Mitglied in der Redaktion. „Die Fotos sind Erinnerungen der Lebenshilfe“, erklärt Sowa. „Was fällt euch dazu ein? Wie können wir die Bilder für das 60-jährige Jubiläum der Lebenshilfe in der Zeitschrift unterbringen?“, fragt Sowa in die Runde. Direkt wird angeregt diskutiert, und es werden Aufgaben verteilt. Bis die Zeitschrift im Sommer erscheint, muss noch so einiges getan werden, und die Helfer machen sich an die Arbeit. Auch das Titelbild will gut überlegt sein. Gerne hätten sie ein Bild von einer Feier zum Jubiläum. Aber wie bekommt man alle Anwesenden auf ein Bild? „Jemand könnte aus einem Flugzeug ein Foto von dem Fest machen“, schlägt Münch vor. „Wie wäre es mit einer Drohne? Das ist auf jeden Fall einfacher“, schlägt Sowa vor. Es wird diskutiert, wie dieses Projekt in die Tat umgesetzt werden kann.

Im Mittelpunkt: die eigene Sichtweise

Ins Leben gerufen wurde das Projekt „Blickpunkt“ von Sowa selbst. „Ich fand es immer schade, dass zwar viel über die Lebenshilfe berichtet wurde, aber die Bewohner der Einrichtungen nie die Möglichkeit hatten, selbst etwas über sich zu schreiben. Mit dem Magazin können nun eigene Sichtweisen zu unterschiedlichen Themen veröffentlicht werden.“ Dann wurden einige motivierte Bewohner gesucht, die Spaß an der Sache haben. „Wir berichten über Feste und Ereignisse oder kündigen sie an. Mir persönlich war auch wichtig, eine Werbung für neue Mitarbeiter in die Zeitschrift zu bringen. Wir brauchen dringend mehr Helfer bei der Lebenshilfe“, sagt Thorsten Schrenck. Auch er ist Bewohner des Georg-Jungmann-Hauses.

Inzwischen kann man sehen, was es gebracht hat. Anwesend ist nämlich auch Anna Grimmer. Die Studentin kommt eigentlich aus Dresden und war vor einiger Zeit in der Pfalz mit ihrem jüngeren Cousin beim Kinderarzt. Im Wartezimmer hat sie dann erstmals ein Exemplar des „Blickpunkts“ in der Hand gehabt. „Ich war direkt begeistert von der Arbeit der Lebenshilfe und auch von dem Magazin“, erzählt Grimmer. Auch die Werbung für neue Mitarbeiter hatte sie gesehen und sich daraufhin für ein viermonatiges Praktikum beworben. Bald endet ihre Zeit bei der Lebenshilfe schon. Aber auch danach will sie weiterhin den „Blickpunkt“ lesen. „Ich bin wirklich ein Fan von dieser Zeitschrift. Es ist ein tolles Projekt“, sagt Grimmer.

Aufregende Momente

Es können aber auch persönliche Anliegen im „Blickpunkt“ umgesetzt werden. Abdul Özer erzählt davon, wie er einmal völlig durchnässt auf der Arbeit ankam. Grund dafür war eine fehlende Überdachung der Bushaltestelle vor dem Wohnhaus. „Dann habe ich ein Interview mit der Verantwortlichen für die Spenden der Lebenshilfe geführt. Aus diesem Gespräch haben wir dann einen Artikel im Blickpunkt gemacht mit einem zusätzlichen Spendenaufruf“, erzählt Özer. Und es hat geklappt. Das benötigte Geld kam durch viele Spenden schnell zusammen. Wann die Überdachung endlich angebracht wird, hänge jetzt nur noch von den Handwerkern ab.

Auch kann die Redaktion besonders schöne und aufregende Momente in der Zeitschrift unterbringen. Auf einer Doppelseite der letzten Ausgabe konnten die Bewohner über ihren kleinen Filmdreh berichten. Mit einem professionellen Filmteam wurde ein Video über die Alltagsprobleme von Menschen mit Beeinträchtigungen gedreht. Dieser wurde dann im Kino Cineplex in Neustadt vor den Vorstellungen abgespielt. „Ich wurde schon von fremden Menschen darauf angesprochen. Man kann sagen, ich war schonmal im Kino zu sehen“, freut sich Özer. Über diese Erfahrung konnten sie dann in ihrer eigenen Zeitschrift berichten. Das gemeinsame Schreiben mit Nicole Sowa und das Entwickeln von Ideen sei immer das schönste an dem Projekt, stimmt auch Thomas Reger, Bewohner des Georg-Jungmann-Hauses, zu.

Auflage: 1800 Exemplare

Auf einer weiteren Seite der letzten Ausgabe ist ein Brautpaar abgebildet. „Zwei Bewohner einer Einrichtung der Lebenshilfe haben geheiratet“, erzählt Maria Karbach. Auch sie ist Mitglied in der Redaktion. Das Paar konnte in einem eigenen Artikel über seine Geschichte und Hochzeit berichten.

Jeder Bereich der Lebenshilfe bekommt zwei bis vier Seiten in jeder Ausgabe der Zeitschrift zur Verfügung gestellt. „Damit bekommen auch der Kindergarten sowie die älteren Bewohner der Wohnheime die Möglichkeit, über Themen zu berichten, die ihnen wichtig sind“, erklärt Sowa. Die Redaktion trifft sich bis zu viermal, bis die Seiten gefüllt sind. Die letzte Auflage hat 1800 Exemplare umfasst. Aber die Nachfrage steigt immer weiter an. „Das nächste Magazin wird voraussichtlich über 2000 Mal gedruckt werden“, erzählt Sowa stolz. Finanziert wird das Projekt vor allem durch Werbeanzeigen. „Viele Dienstleister kaufen sich jedes Mal einen Platz in der Zeitschrift und unterstützen damit auch unser Projekt“, so Sowa. Zudem gibt es auch einen Zuschuss vom Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung. Sie unterstützen die Öffentlichkeitsarbeit von Menschen mit Beeinträchtigungen. Verteilt werden die Zeitschriften dann an Bewohner, Familienangehörige und Interessierte.

„Es braucht viele gute Ideen und oft auch viel Geduld, aber am Ende sind wir immer mächtig stolz auf unser Ergebnis im Blickpunkt“, sagt Sowa. Bei Interesse am „Blickpunkt“ kann per E-Mail an blickpunkt@lebenshilfe-nw.de geschrieben werden.

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