Neustadt „Crashkurs“ schockt junge Autofahrer: „Bringt einen auf den Boden der Tatsachen“

Mahnendes Beispiel: die Überreste eines alten Audi 80, der bei einem Unfall gegen einen Baum geprallt war.
Mahnendes Beispiel: die Überreste eines alten Audi 80, der bei einem Unfall gegen einen Baum geprallt war.

Gerade junge Fahrer sind laut Statistik besonders häufig in Verkehrsunfälle verwickelt. Diese enden auch immer wieder tödlich. Polizei und Rettungskräfte wollen mit dem „Crash Kurs RLP“ bei Schülern ein Bewusstsein für die Gefahren im Straßenverkehr schaffen.

Verunglückte, zum Teil stark verformte Autos, Straßen voller Rettungskräfte und landende Rettungshubschrauber: All das zeigen die kurzen Videoschnipsel, die die Polizei den Schülern in der Turnhalle des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums vorspielt. Als zum Schluss des Films ein Leichenwagen den Unfallort verlässt, weckt das doch bedrückende Gefühle.

Leider ist das traurige Realität: Allein in Deutschland sind letztes Jahr 2817 Menschen tödlich im Straßenverkehr verunglückt. Um die Schüler für das Thema zu sensibilisieren, sprechen am Montagmorgen Polizisten und Rettungskräfte über ihre Erfahrungen an Unfallorten. Konkret geht es um ein Unglück, das sich im Dezember 2019 auf der B217 zwischen der Abfahrt Ruppertsberg und der Auffahrt A65 ereignet hat.

Erste Hilfe für die Seele

Dort kollidierte eine 19-Jährige in ihrem Kleinwagen frontal mit einem entgegenkommenden Kombi. Sie verstarb noch am Unfallort. Warum die Fahranfängerin in den Gegenverkehr geriet, ist bis heute ungeklärt. Joachim Reis, Ulrich Eichberg und Andreas Schubing von der Freiwilligen Feuerwehr Deidesheim waren damals vor Ort. „Als wir das Mädchen in dem Auto sitzen sahen, war klar, dass wir schnell handeln müssen“, berichtet Einsatzleiter Reis. Man habe sich also für eine „Crash-Rettung“ entschieden. Das bedeutet, dass bei der Befreiung des Opfers aus dem Wrack keine Rücksicht mehr auf etwaige Verletzungen genommen werden kann. Denn: Es geht um Leben und Tod. Doch während der Rettung verstarb die junge Frau. Schubing erinnert sich daran, wie ihre Augen schließlich nach hinten rollten. „Solche Bilder nimmt man immer mit nach Hause.“

Bei solchen tragischen Unfällen kommt die Notfallseelsorge zum Einsatz. „Wir leisten auch Erste Hilfe, aber für die Seele“, sagt Tassilo Willrich zur versammelten Schülerschaft. Sein Job bestehe zu 80 Prozent daraus, Todesnachrichten zu überbringen. Keine leichte Aufgabe, wie er weiß. „Die Leute reagieren sehr unterschiedlich. Das reicht von völliger Stille zu Weinen und Schreianfällen.“ Oft unterhalte er sich noch stundenlang mit den Angehörigen über den Verstorbenen. „Meistens reden sie über die Ziele, die er im Leben hatte. Das ist dann alles schlagartig weg.“ Er bittet die Schüler darum, immer vorsichtig im Straßenverkehr zu sein. „Ich möchte nicht bei euren Eltern vor der Haustür stehen und die Nachricht eures Todes überbringen.“

„Werde vorsichtiger fahren“

Nach den Vorträgen in der Turnhalle geht es raus auf den Pausenhof. Dort haben die Polizisten einige Stationen und Anschauungsmaterial vorbereitet. Wer möchte, kann sich auf den Fahrersitz eines Polizeiautos setzen und das Phänomen des toten Winkels erleben. Oder man versucht, wie gut man im betrunkenen Zustand noch einen kleinen Parcours meistern kann – simuliert durch eine Promillebrille. Großes Interesse wecken die Überreste eines alten Audi 80. Das Auto war einst gegen einen Baum geprallt und dient jetzt als abschreckendes Beispiel für die Schüler.

Elftklässler Simon hält die Veranstaltung für sehr sinnvoll. „Ich habe bereits meinen Führerschein und werde künftig vorsichtiger fahren“, nimmt er sich vor. Auch Henrik hat mit seinem Motorrad schon Erfahrungen im Straßenverkehr gesammelt. „Ich habe mir vorhin überlegt, wie es wäre, wenn die Notfallseelsorge bei meinen Eltern klingeln und ihnen von meinem Tod berichten würde.“ Sein Mitschüler David fügt hinzu: „Das bringt einen wirklich auf den Boden der Tatsachen.“

Auch die Beamten von der Polizei sind überzeugt, dass sie mit ihrer Vorgehensweise, an Schulen zu gehen und von ihrer Arbeit zu berichten, zu den Jugendlichen vordringen: „Die Schüler sind sehr interessiert, gehen an die Infostände und stellen Fragen.“ Schon letztes Jahr habe man gute Erfahrungen mit dem Programm gemacht, als der „Crash Kurs RPL“ zum ersten Mal an der Berufsbildenden Schule Neustadt stattfand.

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