Neustadt Cello gegen die Kälte

Neustadt. Der Cellist Thomas Beckmann ist so vielfach geehrt worden für sein Engagement in der Obdachlosenhilfe, dass die Grundlage seines Engagements fast in den Hintergrund gerät: Was er für die Obdachlosen einsetzt, ist nicht nur seine Mitmenschlichkeit, sondern vor allem die Tatsache, dass er wirklich hervorragend Cello spielen kann. Davon legte er am Dienstag auch bei seinem Benefizkonzert für den „Lichtblick“ in der Neustadter Stiftskirche Zeugnis ab.

Neben seinen musikalischen Qualitäten hat Beckmann noch ein weiteres großes Talent: seine von der eigenen Begeisterung gespeiste Fähigkeit, anderen die Ohren zu öffnen für große Musik. So war Beckmann an diesem Abend nicht nur ein Musiker und Philanthrop, sondern auch ein Lehrer. Hauptprogrammpunkt waren Ausschnitte aus den sechs Cello-Solosuiten Johann Sebastian Bachs, und am Ende war wohl jeder im Publikum mit dem Cellisten einer Meinung, dass diese Musik an Schönheit und Tiefe nicht zu übertreffen ist – obwohl keine der Suiten ganz zu hören war.

Zur Einstimmung spielte Beckmann zunächst ein Largo von Vivaldi und lobte begeistert die Akustik der Stiftskirche. Auch die tiefsten Töne und das feinste Pianissimo seien makellos zu hören. Dann ging es zu Bachs Cello-Suiten: In der ersten, die in G-Dur gehalten ist, gibt es als fünften Satz ein Menuett, das zunächst munter und wie ein bäuerlicher Holzschuhtanz in Dur klingt und dann in g-Moll transponiert weitergeht, wo es sich ins Höfische wende, so Beckmann. Und nun hörten es alle so, auch weil Beckmann auch mal wiederholte, es langsam spielte mit den entsprechenden Erläuterungen.

Dann ging er über zur Bourrée in der dritten Suite, oder besser den beiden Bourréen, weil Bach hier wieder in Dur (C-Dur) beginnt und dann in c-Moll wechselt. Auch hier, so Beckmann, beginne Bach fröhlich und sehr diesseitig, um in Moll fahl, verschwommen wie hinter einer Milchglasscheibe weiter zu fahren, was den Gegensatz zwischen Diesseits und Jenseits betone. Und wirklich, man konnte es hören, wie von weitem.

Ganz nebenbei erläuterte der Musiker noch, dass Bach keine Lautstärken vorgeschrieben, sondern diese dem Interpreten überlassen habe und er hier ein Piano für angemessen halte. In der 5. Suite in c-Moll herrsche eine Stimmung von großer Verlassenheit, ausgedrückt etwa im Präludium – er spielte es an –, das nur wenige Töne in steter Wiederholung bringe. Im Menuett sei dann etwas zu Bachs Zeiten unerhört Neues, nämlich Akkorde in dem eigentlich auf Einstimmigkeit angelegten Instrument. Auf diese Akkorde freue er sich immer besonders, und seine Begeisterung („ein Königreich der Harmonien“) steckte an.

Er spielte nun die Sarabande aus der 5. Suite, einen sehr feierlicher Schreittanz. Sie sei ein geradezu philosophischer Satz über die letzten Dinge. Noch deutlicher werde dies in der Sarabande der 6. Suite. Für fünf Saiten geschrieben, klinge sie auf vier Saiten heller, wie ein ganzes Streichquartett. Dann folgte zum Abschluss der Anfang, die Präludien der ersten und letzten Suite. „Wie fängt Bach an? Mit Wellenbewegungen, die die Atmosphäre einer Ursuppe schaffen“, so die Erklärung zum Präludium der ersten Suite. Daraus entwickle sich dann im Präludium der 6. Suite ein „Blick in den Himmel“, ins Jenseitige, und wirklich, die Musik zieht einen irgendwohin, wo weder Zeit noch Ort mehr eine Rolle spielen.

Der richtige Zeitpunkt, um Pause zu machen und wieder irdisch zu werden. Ein kleines Zwischenspiel gaben der katholische Kirchenchor Diedesfeld und der ökumenische Singkreis „Cantica Nova“, gemeinsam geleitet von Andrea Zimmermann, mit Hans Leo Hasslers „Cantate Domino“, etwa 400 Jahre alt, und dem Gospel „This little light of mine“, sehr viel jünger. Dann kam Thomas Beckmann nochmals mit einigen kleinen Stücken von Charlie Chaplin. Der spielte nicht nur selbst Cello, sondern komponierte auch die Musik für seine Filme selbst, und nicht alles so lustig, wie man vermuten könnte. Drei Stücke waren es, „Oh! that cello“ und „Beautiful, wonderful eyes“ – beide klingen wie Chansons auf dem Cello, und, aus „A king in New York“ ein richtiger Wiener Walzer mit einem frechen Schnörkel am Ende.

Beifall gab es ohne Ende, Bravo-Rufe, alles, womit Zuschauer Begeisterung ausdrücken, für den Musiker, den Bach-Lehrer, und den völlig uneitlen Mitmenschen mit einem großen Herzen für Benachteiligte.

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