Neustadt Bittersüße Traurigkeit

Neustadt-Mussbach. Mit einem breitgefächerten Programm mit Stücken der englischen Spätrenaissance von tieftraurigen Liebesliedern bis zu Kapriolen im „La Folia“-Stil begeisterte das Trio „Resonantia“ aus Leipzig am Sonntag in der Parkvilla des Herrenhofs. Das Konzert war John Dowland gewidmet, dessen Musik im Original, in Bearbeitungen seines Zeitgenossen Jacob van Eyck und des Leipziger Trios selbst erklang. Das Publikum bedankte sich bei dem sympathischen Ensemble mit reichlich Applaus und ergriffenen Seufzern.

Kennen Sie das: Wenn Musik plötzlich so schön und „gefühlig“ ist, dass man sich darin einhüllt wie in einen warmen Mantel? Wenn sich Melancholie bittersüß anfühlt und Traurigkeit einen ganz und gar wohlig umfängt? Wenn nicht, probieren Sie die Musik von John Dowland aus! Die sorgt genau für diese Gefühle und entführt den Hörer nach England in die Zeit, als Elisabeth I. Königin des aufstrebenden Inselreichs war. Wir befinden uns also im London der Zeit Shakespeares, musikalisch gesehen in der Renaissance. Auch wenn zur gleichen Zeit in Italien schon das frühe Barock ausgerufen wurde ... Zu dieser Zeit versuchte Dowland (1563-1626) mit großer Anstrengung, Hoflautenist seiner Majestät zu werden. Das gelang ihm trotz einiger Anläufe zunächst nicht, weil er wohl politisch ein eher unsicherer Kandidat mit dem falschen religiösen Hintergrund war. Als es ihm schließlich doch glückte, das begehrte Amt zu besetzen, war er bereits jenseits der 50, Elisabeth war tot, und der Sohn ihrer Rivalin Maria Stuart König. Seltsamerweise veröffentlichte Dowland danach als Hofmusiker kein einziges Werk mehr. Dieses und andere interessante Details zur Geschichte und zur Musik des Meisters der englischen Lautenmusik erzählten die Mitglieder des Trios „Resonantia“ zwischen den Stücken. So wurde das Konzert noch kurzweiliger. Das Programm mit dem Titel „Fortune my foe“ (Glück – mein Feind) war bunt und abwechslungsreich: Laute solo, Laute und Gesang, Laute und Flöte und natürlich Stücke für alle drei Musiker. Frank Petersen an Laute und Barockgitarre eröffnete mit einem Präludium, das direkt in „Greensleeves“ mündete. Das war auch zur Zeit von Dowland schon ein Gassenhauer und verfehlte seine Wirkung auch in Mußbach nicht. Die perfekte Eröffnung, um das Publikum sofort in die richtige Stimmung zu versetzen. Mit geschlossenen Augen befand man sich am englischen Hof, und Szenen aus der Fernsehserie „Die Tudors“ liefen vor dem geistigen Auge ab. Doreen Busch sang mit warmer, weicher Altstimme und, der Mode der Zeit gemäß, ohne Vibrato. Ulrike Wolf rundete das Klangbild mit Sopranino, C-, F- und Traversflöte durch ihre zurückhaltende Begleitung ab. Überhaupt schaffte das Ensemble das Kunststück, die Instrumente und die Stimme in eine transparente klangliche Balance zu bringen. „Semper Dowland, semper dolens“, übersetzt etwa „Immer Dowland, immer traurig“ war der Wahlspruch, den der Lautenmeister über sein Leben schrieb. Kein Wunder also, dass seine Musik schwermütig ist. Das ist derzeit wieder en vogue, sogar Popstars fühlen sich bemüßigt, seine Musik zu interpretieren und bisweilen zu „bearbeiten“. Nicht immer ausschließlich erfreulich, was man da zu hören bekommt. Umso schöner, wenn man diese Musik von Könnern präsentiert bekommt, die der historischen Aufführungspraxis folgen, ohne dass der Vortrag dadurch spröde oder akademisch würde. Ganz im Gegenteil: Das Trio musizierte mit Leidenschaft, die sich dem Publikum unmittelbar mitteilte. Den Löwenanteil am Programm nahmen, dem Titel gemäß, die melancholischen Stücke ein. Insbesondere das Titelstück und die beiden „Hits“ „Can she excuse“ und „Come again“ bezauberten durch filigrane Gestaltung und dezente Spielweise. Diese Zurückhaltung ist vielleicht das markanteste Stilmittel des Trios. Die Musik steht stets im Vordergrund, alle musizieren werktreu und ohne Soloallüren. Nur Ulrike Wolf trat das ein oder andere Mal heraus, als sie die hochvirtuosen Flötenbearbeitungen von Jacob van Eyck in rasender Geschwindigkeit „abfackelte“. Das war nicht nur musikalisch, sondern auch handwerklich einsame Klasse. Auch die Bearbeitungen des Ensembles, das Stücke für Laute solo in Lieder mit Lauten- und Flötenbegleitung umschrieb, wirkten stets wie aus einem Guss und authentisch. So pendelte dieses Konzert zwischen süßer Melancholie und derben Tanzrhythmen immer wieder überraschend und unterhaltsam hin und her: Anhaltender Applaus des berührten Publikums ließ das Trio „Resonantia“ das Titelstück wiederholen. Ein gelungener Abschluss eines tollen Programms!

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