Neustadt Überhaupt nicht fadenscheinig

Neustadt-Mussbach. Wie viel Glanz, Witz und Gefühl kunstvolle Marionetten auf die Bühne zaubern, das erlebten am Sonntag die Besucher der „Festlichen Marionettengala“ mit Akteuren aus Prag, Salzburg, Nürnberg und Neustadt im Mußbacher Herrenhof. Dort hatte das Dornerei-Theater in die schmucke Parkvilla eingeladen, die bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Die Ouvertüre des musikalischen Galaprogramms bestreitet eine eigenartige Ausgabe der drei Tenöre: Bernd Lang vom Nürnberger Fantasie-Theater und Markus Dorner von der „Dornerei“ treten mit der lebensgroßen Puppe des Luciano Pavarotti auf die Bühne. Dieser gewichtige Superstar in ihrer Mitte schmettert bei „Dein ist mein ganzes Herz“ so ausgiebig die Töne, dass sein Brustkorb bebt. Wenn ihm andererseits die Kunst eines Kollegen missfällt, zieht sich sein Gesicht gramvoll zusammen. Das ungleiche Trio amüsiert die Zuschauer bis zum Abgang: Nach vielen Verbeugungen bekommt der Zuschauer mit der Rückenansicht sogar Einblick in Pavarottis verschnürtes Innenleben. Der weitere Programmverlauf bringt den ungewöhnlichen Genuss, dass erstmalig die renommierten Marionettentheater aus Prag und Salzburg gemeinsam auftreten. Seien es die Verwicklungen der Liebe oder groteske Dialoge zwischen einem strapazierten Vater und seinem insistierenden Sohnemann – die Spannweite von Ausdrucksmöglichkeiten, die das Spiel mit den gelenkigen Holzfiguren am Faden bietet, erstaunt immer wieder. Beim Auftritt der Prager Marionetten mit Martin Klásek, Richard Maska, Michael Barták und Helena Stáchová sind es vor allem die bis ins Absurde verdrehten Frage- und Antwortspiele der Figuren Spejbl und Hurvinek, die viel Gelächter ernten. Dass der gleiche Sprecher Vater und Sohn zum Reden bringt, gehört zur langen Geschichte dieses fabulierenden Figurenduos, das unverblümt die Dinge beim Namen nennt. Mit Schellackplatte und bedruckter Plattenhülle geht es sodann in die goldenen 20er: Als „Comedian Harmonists“ haben Markus Dorner und Bernd Lang brillante Komik zu bieten. In einem munteren Medley schicken sie ein Lied um die Welt und lassen dazu sechs befrackte Pinguine rhythmisch im Takt wippen. Als Krönung des Titels „Ich wollt, ich wär’ ein Huhn“ erlebt das begeisterte Publikum, wie aus einem eben gelegten Ei ein Minipinguin schlüpft und munter mitträllert. Beim Hollaender-Lied „Was wurde in Omsk angerichtet“ sieht man Markus Dorner als mürrischen Stroganoff mit bizarr verkleinertem Kaukautzky-Kostüm am Hals. Das bedingt frontales Auftreten ohne Stellungswechsel und wirkt durch entsprechende Bewegungen umso witziger. Schelmisch wiederum erscheint der bunte Vogelfänger Papageno. Während er singend sein Alleinsein beklagt, bewundert man das ausgeklügelt feine Fadenspiel, das auch in den kleinsten Gesten Gefühle ausdrückt. Auch das Salzburger Marionettentheater entführt in die glanzvolle Welt der Oper. Bei den Arien „Reich mir die Hand, mein Leben“ und „Madamina, il catalogo é questo...“ aus Mozarts „Don Giovanni“ kann der Zuschauer nur darüber staunen, wie ausdrucksvoll die eingeblendete Musik mit den Bewegungen der kostbar gekleideten Marionetten verknüpft wird. Wiederum sind es gerade die sparsamen Gesten wie ein entschiedenes Kopfrucken oder ein abwehrender Wink, die große Emotionen transportieren. Hinzu kommt das Mittel der Übersteigerung, das einen Bogen schlägt von der schwebenden Leichtigkeit einer elfenhaften Balletttänzerin („An der schönen blauen Donau“) bis zur massig-komischen Körperfülle des rachedurstigen Aufsehers Osmin in „Die Entführung aus dem Serail“. Die Stimmungsvielfalt in der Parkvilla reicht bis in düstere Abgründe, als die Salzburger Spieler eine beeindruckende Faustszene als Zugabe zeigen. Neben Pierre Droin führt Heidi Hölzl hier die Fäden, die schon seit 50 Jahren auf der Bühne steht. Nur wenn der kleine Hurvinek sich zuletzt über „die da oben“ beklagt, die die Fäden in der Hand halten, dürfte er mit dieser Meinung allein dastehen. Der Applaus für die Marionettenspieler dieses Tages war jedenfalls begeisterter Jubel.

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