Ludwigshafen Vom Sterben der Buchhandlungen

Frank Schätzing liegt mit seinem neuen Thriller vorn.
Frank Schätzing liegt mit seinem neuen Thriller vorn.

Erwartungsgemäß hat Frank Schätzing mit seinem neuen Thriller „Die Tyrannei des Schmetterlings“ im Mai die Bestsellerlisten erobert. Aber auch der zehnte in der Kluftinger-Reihe aus der Feder von Volker Klüpfel und Michael Kobr mit dem lapidaren Titel „Kluftinger“ ist gut platziert.

Zum letzten Mal gibt „Pro Buch“, die Ludwigshafener Buchhandlung in der Ludwigstraße, die Bestseller bekannt. Inhaber Joachim Schwender gibt sein Geschäft nämlich nach 22 Jahren auf (wir berichteten). Wegen des Ausverkaufs ist auf der letzten „Pro Buch“- Liste mancher ältere und auch manch abseitiger Titel zu finden. Als Grund für seinen Entschluss, das Geschäft aufzugeben, nennt Joachim Schwender neben dem auslaufenden Mietvertrag und dem näherrückenden Rentenalter seit Jahren rückläufige Umsätze. „Pro Buch“ ist die letzte in einer Reihe von Geschäftsaufgaben seit der Jahrtausendwende. Mit „Pro Buch“ schließt aber nun der letzte inhabergeführte Buchladen in der Ludwigshafener Innenstadt. Es bleibt die Filiale der Buchhandelskette Thalia GmbH in der Rheingalerie. Die Schließung ist ein deutlich wahrnehmbarer Hinweis, der den Ludwigshafenern das langsame unsichtbare Sterben kleiner Buchhandlungen vor Augen führt. Jedes Jahr gibt es in Deutschland über hundert weniger. Da mutet es wie ein schlechter Scherz an, dass die Monopolkommission, die die Bundesregierung über die Entwicklung von Unternehmenskonzentrationen informieren soll, sich Ende Mai für die Abschaffung der Buchpreisbindung ausgesprochen hat. Es ist der x-te Vorstoß, diese Regelung, die einheitliche Preise in kleinen wie großen Buchhandlungen für Bücher aus kleinen wie großen Verlagen garantiert, zu Fall zu bringen. Die Argumente für und wider Buchpreisbindung sind inzwischen ad nauseam ausgetauscht. Nach Ansicht der fünf Mitglieder der Monopolkommission jedenfalls stellt die Buchpreisbindung einen „schwerwiegenden Markteingriff“ dar. Vorauseilend weisen die Rechts- und Wirtschaftsexperten auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu dem – freilich anders gelagerten – Fall von verschreibungspflichtigen Arzneien hin und machen sich neoliberale Positionen zu eigen. Ausländischen Versandhändlern (auf dem Buchmarkt Amazon!) entstünden Wettbewerbsnachteile gegenüber den Händlern in Deutschland, urteilte der EuGH vor anderthalb Jahren. Was geschieht, wenn die Preisbindung aufgehoben wird, hat Helge Malchow, Leiter des Verlags Kiepenheuer & Witsch, im Deutschlandfunk Kultur ausgemalt: „Weite Teile der Buchhandlungslandschaft werden verschwinden, und zwar innerhalb eines Jahres.“ Für die Käufer würde die Monopolisierung bedeuten, dass nur noch marktgängige Titel, Bestseller also, im Angebot wären. Ausgefallenere Titel und Themen hätten kaum noch eine Chance gedruckt zu werden oder würden zu unerschwinglichen Preisen angeboten. Der Aufschrei des Börsenvereins, Interessenvertreter des deutschen Buchhandels, nach der erneuten Attacke auf seine heilige Kuh war daher markerschütternd. Aber auch die Politik reagierte empört. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) war „fassungslos“. Beruhigend ist es immerhin, dass die Buchpreisbindung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung als unverzichtbarer Garant für die Vielfalt auf dem deutschen Buchmarkt, dem zweitgrößten der Welt, festgeschrieben ist. Allerdings hat die Monopolkommission mit ihrer Einschätzung recht, dass die Preisbindung den tiefgreifenden Wandel des Buchhandels nur verlangsamt, denn seit Jahren verlieren die Buchhandlungen unaufhaltsam Marktanteile an den Online-Handel. Angesichts solcher Zukunftsaussichten tut es gut, wenn die Schauspielerin Emily Mortimer, derzeit in dem Film „Der Buchladen der Florence Green“ zu sehen, dieser Tage eine Lanze für das gute alte Buch gebrochen hat. „Nur in einem Buch gibt es wirklich Raum für Nuancen, für Zweifel, für die Graustufen des Lebens“, meinte sie. Dem Buch stellte sie das Fernsehen und die sogenannten sozialen Netzwerke gegenüber, die Sachverhalte verkürzen würden und in denen jeder nur an seine eigene Wahrheit glaube. „Das macht mir Angst“, sagte Mortimer. Solche allenthalben zu beobachtende und immer mehr um sich greifende Egozentrik stellt Toni Morrison, 87-jährige Literaturnobelpreisträgerin, auch bei vielen, besonders aber bei jungen Autoren fest. „Sie schreiben alle über sich selber“, klagte sie in einem Interview mit der „Berliner Zeitung“. Ihren Studenten in Princeton habe sie eingebläut: „Schreibt über etwas, von dem ihr keine Ahnung habt, erfindet, erschafft etwas Neues. Literatur, die sich auf die kleine Welt des Autors beschränkt, interessiert mich nicht.“ So wird einer Erstarrung in Routine, aber auch Nationalismus und einem nur um den eigenen Bauchnabel kreisenden Denken („America First!“) entgegengewirkt. Stefanie Wirth aus der Thalia-Filiale in der Ludwigshafener Rheingalerie empfiehlt von Aidan Truhen „Fuck You Very Much“. Der mit einem ironischen Augenzwinkern geschriebene und mit Übertreibungen gespickte Thriller stand im Mai auf der gemeinsam von der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und „Deutschlandfunk Kultur“ erstellten Krimibestenliste auf Platz vier und ist jetzt im Juni auf Platz drei vorgerückt. Jack Price, einem Drogendealer im großen Stil, ist kein Job zu gefährlich, denn er ist einfach der Beste seines Fachs. Jedenfalls seiner eigenen bescheidenen Ansicht nach. Außerdem ist er seinen Konkurrenten immer einen Schritt voraus, und ihn bringt nichts aus der Fassung. Doch dann landet er auf der Liste seiner Erzfeinde, den „Seven Demons“ , einer hocheffizienten Bande von Auftragskillern. Jack Price wäre aber nicht Jack Price, wenn ihn das auch nur im Geringsten aus der Ruhe brächte. „Fuck You Very Much“ sei wahrlich nichts für zarte Gemüter, sagt Stefanie Wirth, fügt jedoch sogleich hinzu: „Aber ich hatte schon lange nicht mehr soviel Spaß beim Lesen wie bei der Lektüre dieses tiefschwarz humorigen Thrillers.“ Fans von Tarantino-Filmen und Leser von Thrillern John Nivens finden nach ihrer Einschätzung sicher auch an „Fuck You Very Much“ Gefallen. „Ich will mehr“, sagt sie, „und hoffe, dass Jack Price bald wieder auf meinen Lesetisch zurückkehrt.“

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