Ludwigshafen „Kids fehlt jemand, zu dem sie aufschauen können“

91-87903584.jpg
Vermissen Sie Boris Becker und Steffi Graf? Schaudt:

Wir haben die Hoffnung, dass mit Alex Zverev jetzt der Tennisboom bei den Jungs wieder anfängt. Ein Zugpferd wäre mal wieder gut. Also: Ja, ich habe sie schon vermisst. Zimmermann: Im deutschen Tennis fehlt jemand, zu dem die Kids aufschauen können. Jemanden, den sie im Fernsehen regelmäßig sehen. Tennis kommt im öffentlichen Fernsehen selten. Und wenn, dann sind die deutschen Spieler kaum vertreten. Angelique Kerber hat die Australian Open gewonnen, stand in Wimbledon und bei Olympia im Finale. Haben Sie davon etwas in den Vereinen gespürt? Zimmermann: Nein. Diese ein, zwei Erfolge, die sind zu wenig. Boris Becker, Steffi Graf und auch Anke Huber waren früher ständig in den Medien präsent. Das ist heute nicht der Fall. Schaudt: Man muss erst mal einige Turniersiege holen, um in den Medien besser vertreten zu sein. Und das Match von Angelique Kerber ... Zimmermann: Das Wimbledon-Finale! Schaudt: ... genau, war noch nicht mal im Free TV zu sehen. Kann man das wirklich nur auf die Deutschen reduzieren? Oder fehlen einfach die Typen wie Jimmy Connors, John McEnroe oder Ivan Lendl? Zimmermann: Es sind garantiert viele Charaktere im Tenniszirkus. Novak Djokovic macht auch seine Späße auf dem Platz. Aber wir sehen es nicht. Deswegen können wir es auch nicht einordnen. Ist es so einfach aufs Fernsehen zu reduzieren? Man kann doch fast jedes Turnier via Internet auf dem Smartphone oder Tablet verfolgen ... Schaudt: Wenn die Jugend das Smartphone in die Hand nimmt, dann nicht, um Tennis zu schauen. Die Begeisterung fürs Tennis ist heutzutage nicht über die Bildschirme entstanden. Wenn ich heute einen meiner Jugendlichen frage: Hast du das Grand-Slam-Turnier geschaut?, bekomme ich auch mal als Antwort: War das jetzt gerade? Zimmermann: Es liegt doch in der Natur des Menschen: Man begehrt, was man sieht. Das ist in der Werbung so und bei den Sportarten. Das ist schade. Natürlich müssen wir nicht alle fernsehen. Aber es geht generell um die Präsenz des Sports. Man muss die Möglichkeit haben, es zu sehen. Taugt Zverev zum Zugpferd? Zimmermann: Das kann ich nicht beurteilen. Schaudt: Ich hab schon mitbekommen, dass meine Kids ab und zu mal den Namen in den Mund nehmen. Aber der Hype ist noch nicht entstanden. Ich hoffe, der kommt noch. Die Frage ist, ob einer alleine reicht. Wie kommen Sie an die Jugendlichen? Schaudt: In den letzten Jahren über Mund-zu-Mund-Propaganda. Wir machen auch mal eine Schul-AG oder einen Tag des Tennis im Verein. Wir haben die letzten Jahre bewusst reduziert geworben, weil wir gar nicht die Kapazität für 50 Kinder mehr hätten. Zimmermann: Bei uns fängt es über die Ballschule an. Das geht oft über die Kindergärten. Da ist unser Trainer Marcelo Manola sehr engagiert. Wie hoch ist da die Durchlässigkeit? Zimmermann: Bei den Kleinen bis U 9 etwa zwei von zehn, die abspringen. Wenn sie erst mal bei U 12 sind, bleiben sie in der Regel. Wir versuchen die Kinder auch so früh wie möglich an den Wettkampf heranzuführen. Ohne den Wettkampf fragen sich die Kinder dann: Warum schlage ich dieses gelbe Filzteil übers Netz? Haben Sie es auf dem Dorf etwas einfacher? In Frankenthal ist die Konkurrenz durch Hockey ja etwas größer. Schaudt: Ich habe sogar einige Kids, die Hockey und Tennis spielen. Klar ist Hockey eine große Nummer in Frankenthal. Aber es ist medial auch nicht so optimal besetzt. Ich habe eher das Gefühl, dass der Fußball nach wie vor die Konkurrenz ist. Zimmermann: Bei uns ist es auch ganz klar der Fußball, mit dem wir konkurrieren. Schaudt: Mann kann Fußball und Tennis sehr gut kombinieren. Es ist sportwissenschaftlich erwiesen, dass die beiden Sportarten gut zusammenpassen, um die Motorik zu schulen. Nur hofft man halt, dass sich der Nachwuchs irgendwann fürs Tennis entscheidet. Der BASF TC Ludwigshafen ist keine Konkurrenz für Sie? Zimmermann: Wir sind keine Konkurrenz für den BASF TC. Das ist so weit weg. Die BASF zieht Spieler aus den Landkreisen herbei – mit sehr attraktiven Angeboten. Das können wir nicht. Wir konzentrieren uns auf unsere eigenen Spieler. Die Kids gehen bei uns von den Mainzelmännchen durch bis zur U 18 und dann in die Aktiven. Ich habe schon gehört von Kindern, die das Training beim BASF TC super fanden. Aber denen war es dort einfach zu anonym. Schaudt: Das entscheidende Schlagwort ist die Identifikation mit dem Verein. Die existiert, ohne dem Verein zu nahe treten zu wollen, bei der BASF nicht. Bitter für uns ist, dass wir dann gegen so zusammengewürfelte Mannschaften antreten müssen. Zimmermann: Unser Konzept ist, dass alle spielen, die wollen. Das ist bei 18 Teams sehr viel Organisation. Ist das beim TC Mörsch ähnlich? Schaudt: Ja. In Mutterstadt seid ihr aber im Vorteil, weil ihr das zu zweit macht. Ich bin Jugendwart und Cheftrainer in Personalunion. Wir haben fünf U-15- und sechs U-18-Teams. Es gibt Tage, da komme ich heim und telefoniere anderthalb Stunden rum, um zu sehen, wer wann verfügbar ist. Wenn ich 30 Kinder habe, die aktiv spielen wollen, melde ich auch entsprechend viele Mannschaften. Wie läuft das mit den Ganztagsschulen, wenn es bei Spieltagen mal weiter weg geht? Zimmermann: Es sind in der Regel maximal fünf Spieltage. Es betrifft eigentlich nur die Pfalzliga, wenn es zum Beispiel nach Pirmasens geht. In der Regel unterstützen die Schulen auch den Sport. Sie werden keinen Lehrer finden, der Freitagsnachmittags darauf besteht, dass das Kind bis 16 Uhr bleiben muss. Schaudt: Da muss ich widersprechen. Bei uns waren einige Kinder, die vom Schul- oder Konfirmandenunterricht keine halbe Stunde früher gehen durften. Ich sehe Ganztagsschule schon als kleines Problem. Viele Eltern machen sich Sorgen, dass die Kinder was in der Schule nicht mitbekommen. Klar gibt es auch Schulen, die kooperativ sind. Aber nicht jede. Zimmermann: Man sollte sich überlegen, was man den Kindern antut. Freitagmittags werden keine Arbeiten mehr geschrieben. Und Pfalzliga heißt, dass da nicht einfach ein paar Bälle übers Netz geschoben werden. Wann sollte ich gegen meinen ersten Ball geschlagen haben? Schaudt: Aus Vereinssicht ab vier, damit man die Kinder für den Sport begeistert. Grundsätzlich gilt, dass alle Sportarten viel früher aktiv sind. Das optimale Alter aus meiner Sicht liegt bei fünf oder sechs Jahren. Muss man den Kindern vielleicht auch mehr bieten als „nur“ Tennis? Beim TC Mörsch gibt’s zum Beispiel ein Beachvolleyball-Feld. Zimmermann: Wichtig ist, dass man etwas organisiert und dass etwas passiert. Dann haben die Kids bei allem Spaß. Man muss Zeit und Interesse investieren. Dann fügt sich alles. | Interview: Christian Treptow DOPPELTERZEILENUMBRUCHund Marek Nepomucky

x