Quintessenz Im falschen Film – keiner da, der die Krise killt

Steffen Gierescher
Steffen Gierescher

Die Sprüche über Chuck Norris sind hinlänglich bekannt und legendär. Mein Favorit lautet so: „Chuck Norris isst keinen Honig, er kaut Bienen.“ Soll heißen: Der Kerl ist – zumindest auf der Kinoleinwand – ein harter Hund, ein gnadenloser Haudegen mit Herz, den man dahin schickt, wo es richtig wehtut. Weil er immer das Richtige tut und die Bösewichte dieser Welt bei den Eiern packt – und im Zweifel auch nicht loslässt.

Wie beispielsweise in der Trilogie „Missing in Action“ (1984 bis 1988) oder anderen Streifen ähnlichen Kalibers, deren Namen ich vergessen habe. Er beherrschte jedenfalls die koreanische Kampfkunst und brauchte oft keine Waffen. Die Waffe war er. Chuck. Bam. Bum. Und weg war die Gefahr.

Auch „Sly“ Sylvester Stallone ließ sich nix gefallen. Von niemandem. Weder im Boxring als „Rocky Balboa“, noch im Dschungel als „John Rambo“ – und mit Bruce Willis als „John McClane“ war in diversen „Stirb langsam“-Folgen auch nicht zu spaßen. „Yippie-Ya-Yeah, Schweinebacke“ – und die Fieslinge explodierten, purzelten die Treppen oder auch schon mal Hochhäuser hinunter. Arnold Schwarzenegger fegte als geläuterter „Terminator“ mit Megabizeps und Schrotflinte alles weg, was dem Weltuntergang im Wege stand. Nicht zu vergessen: Jean-Claude Van Damme, der smarte Belgier, Spitzname „The Muscles from Brussels“ („Die Muskeln aus Brüssel“), der sowohl eine Ballett- wie eine Karateausbildung genoss. Und nicht lange rumfackelte, wenn’s eng wurde.

Irgendwie hatte man – als die Realität gerne ausblendender Cineast – immer das naive, aber angenehme Gefühl: Brennt’s lichterloh, dann kommt die Feuerwehr in Form eines dieser Action-Helden und spült die Krise tsunamimäßig weg. Ob mit Fäusten oder Geballer. Trifft ja nicht die Falschen. Zumindest im Film.

Derzeit wären wohl viele froh, wenn das alles tatsächlich nur ein Film wäre, was sich da im Osten Europas (und leider nicht nur dort) abspielt. Aber es taucht kein Held auf, der mal soeben aufräumt und den Schurken die Hintern versohlt. Wer auch? Chuck Norris ist 82, Sylvester Stallone 75, „Arnie“ 74, Bruce Willis zwar erst 67, aber gesundheitlich angeschlagen. Van Damme schauspielert mit 61 auf die Rente zu.

Manchmal würde ich mir dennoch wünschen, es gebe solche Supermänner, die auf der Sonnenseite stehen, nicht nur labern, sondern handeln – auch wenn ich natürlich weiß, dass das völliger Quatsch und Gewalt kein Weg ist. Auch nicht für die aufrechte Sache, wobei … lassen wir das.

Was ich mit diesen etwas abwegigen Gedanken sagen will: Wenn ich mir das Große und Ganze global betrachte, komme ich mir manchmal vor wie im falschen Film. Das Schöne an den mithin ziemlich brutalen Leinwand-Klassikern war, dass Gut und Böse auf Anhieb voneinander zu unterscheiden waren und am Ende Chuck, Bruce, Sly, Arnie oder Jean-Claude ihren Job gemacht haben. Blutend, gezeichnet, aber breitbeinig grinsend. Hasta la vista, Baby!

Vorhang fällt. Abspann läuft. Alltag.

Die Kolumne

Fünf Redakteure berichten für die RHEINPFALZ über Ludwigshafen. Ihre Erlebnisse aus dem (Arbeits-)Alltag nehmen die Redakteure in der Kolumne „Quintessenz“ wöchentlich aufs Korn.

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