Ludwigshafen Ein mächtiger Klang

Alle Kirchenorgeln haben die Aufgabe, die Liturgie zu unterstützen, also Gottesdienste musikalisch zu untermalen. Aber jede Orgel sieht anders aus. Es gibt alte und neue, kleine Instrumente in Dorfkirchen und große in Kathedralen und in Kirchen der Städte. Manche Orgeln sind für Barockmusik geeignet, andere für die Werke der Romantik. Und technisch ist jede Orgel ein Unikat. In der Serie „Die größten Pfeifen“ stellen wir einige Orgeln in Ludwigshafen, Mannheim und in der Region vor. Die Steinmeyer-Orgel in der Ludwigshafener Apostelkirche ist ein Freipfeifenprospekt.

Die Abkündigungen sind gemacht, das letzte Stück aus dem evangelischen Gesangbuch ist gesungen, den Segen hat die Vikarin erteilt, die Gottesdienstbesucher nehmen Platz. Jetzt kommt der Augenblick, auf den sich Musikfreunde freuen, gerade wenn Wolfgang Werner an der Orgel sitzt. Auch dieses Mal gibt es einen Leckerbissen. Werner spielt auf der Steinmeyer-Orgel der Apostelkirche in der Rohrlachstraße das Finale der 6. Sinfonie von Charles-Marie Widor. Ein mächtiger Klang! Nach dem Gottesdienst erklärt Wolfgang Werner, 48, das Instrument: Die Trakturen (einfach gesagt: die Übergänge von den Tasten zu den Pfeifen) funktionieren elektro-pneumatisch. Die Orgelpfeifen des monumentalen Freipfeifenprospekts sind symmetrisch angeordnet „und entsprechen damit nicht dem Innenleben“, sagt Wolfgang Werner. Doch diese Anordnung sehe besser aus. Einige Pfeifen in der Mitte der Empore seien nur „Fassade“, denn sie seien stumm. Manche der tönenden Pfeifen wiederum müssten, um den gewünschten Ton zu erzeugen, gar nicht so lang sein. Der studierte Kirchenmusiker nimmt eine Pfeife aus ihrer Halterung, zeigt den Abschnitt, der das F erzeugt: „Von hier bis da würde genügen.“ Doch aus Gründen der Optik sei die Pfeife eben länger. Zwei wichtige Pfeifen vermisst der Organist in dem Instrument mit seinen 44 Registern auf drei Manualen und Pedal: „Vox coelestis“ – „Himmlische Stimme“ für einen ätherisch schwebenden Klang – und „Oboe“. Sie seien wichtig für die französische Orgelromantik wie auch für Messiaen, sagt Werner. Olivier Messiaen (1908 bis 1992) spielt Werner immer wieder. Am Nikolaustag 2014 begeisterte er seine Zuhörer mit „La Nativité du Seigneur“ (Die Geburt des Herrn), einem neunteiligen abendfüllenden Werk des französischen Komponisten. Ob die „himmlische Stimme“ in absehbarer Zeit eingebaut wird, ist noch offen. Immerhin soll die Orgel für viel Geld überholt, die Disposition, also das klangliche Spektrum, breiter werden. Wolfgang Werner freut sich darauf: „Jetzt reicht es von Bach bis Reger, für die Franzosen nur eingeschränkt.“ Die Orgel – eine Plakette am Spieltisch weist sie als Opus 1814 aus dem Jahr 1951 der Firma G.F. Steinmeyer aus – war schon einmal saniert worden: zum 100-jährigen Bestehen der Apostelkirche im Jahr 1994. Deren Pfarrer, Stefan Bauer, erzählt, dass damals jedoch nicht alle Schäden beseitigt worden seien. Bei der nun anstehenden Generalsanierung „müssen viele vergängliche Teile der Orgelmechanik und Windtechnik erneuert werden, vor allem Lederbestandteile der Ventile und Magnete in der Elektrik“, sagt der Pfarrer. Der Kirchengemeinde liege ein detailliertes Angebot vor. Die Kosten belaufen sich auf rund 200.000 Euro. Davon habe die Gemeinde bisher etwa 25.000 Euro gesammelt. Von der Landeskirche seien „bis zu 10.000 Euro“ zu erwarten. Da bisher nur so wenig Geld beisammen sei, überlege man, so Bauer, die Sanierung dieses „einmaligen Instrumentes“ in Teilabschnitten durchzuführen. Dieses „einmalige Instrument“ wird als eine der guten Orgeln in Ludwigshafen geschätzt. „Eine gute Orgel“, sagt Wolfgang Werner, „ist eine, bei der handwerkliche und klangliche Qualität eine Einheit bilden.“ Gut sei eine Orgel, die ohne intensive Pflege und Wartung alt werden könne, „gut ist eine Orgel, die ein Musikinstrument ist, also ein Instrument, um damit Musik zu machen.“ Das klinge zwar selbstverständlich, „ist es aber oft nicht.“ Vor allem wegen der Sachverständigen, die es seit dem 19. Jahrhundert gebe. Bis dahin, ereifert sich Werner, hätten Orgelbauer das gebaut, „was sie für richtig und gut hielten, und das war auch meist richtig und gut.“ Das Problem der Sachverständigen sei aber, dass sie in aller Regel keine Orgelbauer seien, „und den jeweiligen Moden unterworfen“. Im 19. Jahrhundert beispielsweise hätten sie gesunde Barockorgeln als nicht mehr zeitgemäß erklärt, dann die Orgeln des 19. Jahrhunderts als Werke der „Verfallszeit“ apostrophiert. Heutzutage wiederum würden Sachverständige Orgeln empfehlen, die einem Ideal entsprächen, das oft das ihre sei. Dabei sei es „meist sogar hinderlich, wenn die Orgel zu sehr nach einer Richtung tendiert, da dann das Repertoire eingeschränkt wird“. Bevor Wolfgang Werner die Orgel der Apostelkirche am 1. April 2007 erstmals spielte, wollte er sie sich ansehen und anhören. Pfarrerin Elke Maicher begleitete ihn. Doch der Organist konnte nicht spielen. „Wir haben sie nicht anbekommen, haben keinen Knopf, keinen Schalter gefunden“, erinnert sich Werner. „Erst vor dem ersten Gottesdienst hat mir jemand gezeigt, dass ein Schlüssel benutzt werden muss, der dort in der Wand steckt.“ Eigentlich stecke er immer im Schloss. Aber auch das scheint kein ehernes Gesetz zu sein, denn ein Kollege habe ihn schon mal abgezogen. Noch steckt der Schlüssel. Und ein Zettel neben dem Schloss mahnt den Organisten, ihn bloß nicht abzuziehen. Spendenkonto Für die Orgelsanierung gibt es ein Spendenkonto: Sparkasse Vorderpfalz, Verwendungszweck: Orgel Hemshof, IBAN DE70 54555 0010 5001 1222 24

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