Ludwigshafen Drei Einbrecher sind entschieden zu viel

„Der nackte Wahnsinn“ ist ein riesiger Theaterspaß. Marcelo Diaz’ Inszenierung des Stücks von Michael Frayn am Pfalztheater in Kaiserslautern war jetzt als Gastspiel im Ludwigshafener Theater im Pfalzbau zu sehen. Das zahlreiche Publikum war von dem parodistischen Blick hinter die Theaterkulissen entzückt bis hingerissen.

„Noises off!“ heißt das Stück im englischen Original. Das bedeutet so viel wie „Absolute Ruhe“ und ist das Signal, dass eine Aufführung begonnen hat und jetzt hinter der Bühne kein Laut mehr zu hören sein darf. Eigentlich trifft der Originaltitel aber nur auf den zweiten Akt des Stücks zu. Denn in seinen drei Akten bekommt der Zuschauer den ersten Aufzug der Klamotte „Nackte Tatsachen“ in einer Aufführung des Grand Theatre, eines über die Dörfer tingelnden Tourneetheaters, aus drei verschiedenen Perspektiven zu sehen. Im ersten Akt darf er die letzte Probe vor der Premiere verfolgen, wenn die übermüdete Truppe weit nach Mitternacht dem Stück den letzten Schliff zu geben versucht. Es geht schief, was nur schiefgehen kann, und Regisseur Lloyd Dallas (Christian Higer) bekommt mehr als nur einen Tobsuchtsanfall. Dass ein Schauspieler den Text vergessen hat und Regieassistentin Poppy Norton-Taylor (Elif Esmen) auf die Bühne stürzen muss, um auszuhelfen, gehört noch zu den kleineren Patzern. Manchmal klemmt eine Tür, und Inspizient Tim Allgood (Oliver Burkia) rückt mit dem Schlagbohrer an. Die ständig über die Bühne schlurfende und einen Teller mit Sardinen herumtragende Dotty Otley als Hausverwalterin (Hannelore Bähr) vergisst Telefonhörer aufzulegen und Zeitungen an die rechte Stelle zu legen. Hausbesitzer Frederick Fellowes (Dominique Bals) bekommt ständig Nasenbluten, während seiner Begleiterin Belinda Blair (Barbara Seeliger) schon mal die Perücke abhanden kommt. Und die leicht bekleidete Brooke Ashton (Annalena Loretta Müller), die das naive Liebchen von Garry Lejeune (Jan Henning Kraus) spielt, verliert ständig ihre Kontaktlinsen. Wenn die Schauspieler dann noch Diskussionen über Sinn und Unsinn ihrer Handlungen anzetteln, kann einem Regisseur schon der Geduldsfaden reißen. Im zweiten Akt bekommt der Zuschauer bei einer der ersten Aufführungen dieser Chaos-Truppe die Verwicklungen hinter der Bühne zu sehen. Vor der Rückseite der Kulisse tragen die Schauspieler handfest ihre Rivalitäten aus. Whiskeyflaschen kreisen, und Selsdon Mowbray, der einen Einbrecher spielt ( Thomas Kollhoff), schließt sich mit einer Flasche auf dem Klo ein. Regisseur Lloyd Dallas hat mit allen Frauen der Truppe ein Verhältnis, und am Ende gesteht ihm Regieassistentin Poppy, dass sie schwanger ist. Der letzte Akt schließlich zeigt eine Vorstellung ein paar Monate später. Im Vergleich zu dem nun herrschenden Chaos war die Probe im ersten Akt noch ein Wunder an Akkuratesse. Die Handlung ist kaum noch wiederzuerkennen, und der Zuschauer darf akrobatische Einlagen der Schauspieler bewundern. Wenn am Ende drei maskierte Einbrecher auf der Bühne stehen, der betrunkene Schauspieler selbst und zwei auf das Stichwort irrtümlich für ihn eingesprungene, ist das Publikum außer Rand und Band. Regisseur Marcelo Diaz, durch zahlreiche Inszenierungen am Mannheimer Kinder- und Jugendtheater Schnawwl bekannt, hat das dankbare Stück temperamentvoll und temporeich in Szene gesetzt. Das Ludwigshafener Publikum belohnte die gelungene und witzige Kaiserslauterer Aufführung mit herzlichem bis frenetischem Applaus.

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