Ludwigshafen Der Tod spricht oberbayerisch

Das Tegernseer Volkstheater gastierte mit dem Mundart-Klassiker „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“ im Pfalzbau-Theater. Der Inhalt ist dank mehrerer Verfilmungen recht bekannt, weshalb man der holzschnitthaften Spielweise einigermaßen folgen konnte. Ist das genug? Mundarttheater lebt von sprachlichen Feinheiten. Um das Ludwigshafener Publikum in deren Genuss kommen zu lassen, hätte das Ensemble das breite Oberbayerisch etwas zurücknehmen können.

Die Geschichte, ursprünglich eine Erzählung von Franz von Kobell, spielt Mitte des 19. Jahrhunderts am Tegernsee. Regisseur Florian Kern folgt der Dramatisierung von Kurt Wilhelm (1975), die dem genrehaften Bauernstück eine satirische Darstellung der Himmelswirtschaft anfügt und damit dessen sozialkritischen Ansatz verstärkt. Nach einem wohl mit Absicht laienhaft forcierten Volkstheater in naiver Ausstattung mit viel zu langen Umbaupausen ist dieser zweite Teil der deutlich gelungenere. Vielleicht ging der positive Eindruck auch darauf zurück, dass die Mundart hier nicht ganz so breit ist und die zuvor übersteuerte Verstärkeranlage reguliert worden war. Die Bauern sind fromm, arm und ihrer Obrigkeit im Himmel wie auf Erden ergeben. Der 72-jährige Brandner sucht sein verschuldetes Häuschen für seine Enkelin Marei zu retten, indem er sich als Jagdtreiber verdingt und zusammen mit Mareis Verlobtem Florian Wilderei betreibt. Es ist kein himmlisches Gesetz, das er verletzt hat, wird Petrus entscheiden. Der Brandner ist ein Schlitzohr und foppt gerne. Macht es einen moralischen Unterschied, ob der Hereingelegte ein treuherziger Jägerbursche ist oder der geriebene Tod? Henner Quest gibt den Alten mit naiver Spitzbüberei und vitaler Willensstärke. Mit unerschütterlicher Gelassenheit luchst er dem Tod bei Kirschgeist und Kartenspiel 18 weitere Jahre ab. Die krämerhafte Anbiederung von Boanlkramer Claus Obalski bleibt weitgehend auf Mimik und Sprachmusik reduziert; erst in Teil zwei kann man seine verbalen Windungen auch verstehend genießen. In der bayerischen Abteilung des Pardieses ist Erzengel Michael die beherrschende Figur. Zum gewaltigen Flügelpaar ist Johannes Schindelbeck ausstaffiert wie ein römischer Imperator und er benimmt sich auch so, wenn er gezierte Ballettschritte setzt und sich in weihevoller Siegerattitüde auf einem Sockel aufbaut. Als die Marei in den Himmel kommt, wird offenkundig, dass der Brandner noch immer abgängig ist. Der Boandlkramer bekommt vom Heiligen Portner, Günter Emmert väterlich und verständnisvoll, eine Abreibung und den Befehl, den Säumigen endlich herbeizuschaffen. Marei ist umgekommen, als sie ihren wildernden Liebsten vor einer Falle retten wollte. Dem Brandner ist sein Lebenssinn genommen, aber der sture Bauernschädel ist darauf geeicht, das Leben zu ertragen, wie es ist. Milde und weise geworden, versöhnt er Florian und den Jäger. Aber abtreten will er noch nicht, so sehr der Tod auch bittet und bettelt. Ans Paradies, das der ihm in leuchtenden Farben malt, glaubt er auch nicht, solange er es nicht gesehen hat. Da greift der Teufel zu der List, ihn einen unverbindlichen Blick darauf werfen zu lassen. Und der ist so schön, dass der Brandner freiwillig bleiben will.

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